Malina
ich denke an alle Jahre in den Motorbooten auf den Seen und auf den Meeren, ich schaue wieder in die Gegend von damals, das ist also der vergessene See, hier war es! Atti, dem ich begreiflich machen will, wie wunderbar ich es finde, dahinzuschnellen übers Wasser, hört überhaupt nicht zu, denn er möchte nur rechtzeitig hinüberkommen vor dem Start. Wir schaukeln in der Nähe von St. Gilgen herum. Noch zehn Minuten vergehen nach dem ersten Schuß, dann kommt endlich der zweite Schuß, und jetzt werden jede Minute die Bälle weggenommen. Siehst du, jetzt nehmen sie den letzten! Ich sehe zwar nichts, aber den Startschuß höre ich. Wir bleiben hinter den Segelbooten, die in Fahrt kommen, alles, was mir noch auffällt, ist, daß der eine vor uns jetzt eine Halse macht, eine emparte, erklärt Atti, und dann fahren wir ganz langsam, um die Regatta nicht zu stören, Atti sieht sich kopfschüttelnd die Manöver dieser traurigen Segler an. Ivan soll sehr gut segeln, wir werden miteinander segeln gehen, nächstes Jahr, vielleicht ans Mittelmeer, denn Ivan hält nicht viel von unseren kleinen Seen. Atti erregtsich: Herrschaft, der ist wohl nicht gescheit, der zieht ja zu dicht, der da wandert aus, und ich deute auf einen, der in Fahrt kommt, während alle fast still liegen. Der hat eine Personalbö! Eine was? Und Atti erklärt sehr gut, aber ich sehe meinen vergessenen See mit diesen Spielzeugen darauf, ich möchte hier mit Ivan segeln, aber weit weg von den anderen, auch wenn es mir die Haut von den Händen reißt und ich unter dem Baum immerzu hin und her kriechen muß. Atti fährt zur ersten Boje, um die alle herummüssen, er ist völlig konsterniert. Da müsse man doch ganz dicht heran und herum, der zweite hat jetzt mindestens fünfzig Meter verloren, der Segler auf dem Einerboot, der verschenkt den Wind, und dann erfahre ich auch noch, daß es den wahren und den scheinbaren Wind gibt, das gefällt mir sehr, ich sehe Atti bewundernd an und wiederhole eine Lektion: Was beim Segeln zählt, das ist der scheinbare Wind.
Atti ist mild gestimmt durch meine Anteilnahme, der Mann dort sitzt nicht komisch auf dem Boot, weiter zurück müßte er noch, na endlich, jetzt drückt er hinaus. Mehr, noch mehr! Es sieht so gemütlich aus, sage ich, aber Atti sagt, doch wieder verärgert, es sei nicht gemütlich, der Mann denke an nichts anderes als an den Wind und an sein Boot, und ich schaue zum Himmel hinauf, ich versuche mich zu erinnern, vom Segelfliegen her, was thermischer Wind ist, wie das mit der Thermik ist, und ich ändere meinen Blick, der See ist nicht mehr der See, licht oder bleifarben, sondern die dunkleren Striche bedeuten etwas, jetzt kippen zwei Boote nach der Leeseite, weil sich wieder wenig rührt, sie probieren, ihre Segel zu formen. Wir fahren ihnen wieder ein Stück nach, in die Nähe der nächsten Boje, und es wird kühl. Atti meint, sie werden die Regatta ›abschießen‹, denn es lohne sich nicht, es lohnt sich wirklich nicht, Atti weiß schon, warum er diese Regatta nicht mitmacht. Wir fahren nach Hause, holpern über das bewegtere Wasser, aber Atti stellt plötzlich den Motor ab, denn es kommt uns Leibl entgegen, der auch in St. Gilgen ist, und ich sage zu Atti: Was ist denn das für ein großer Dampfer dort? Atti schreit: Das ist doch kein Dampfer, das ist eine ...
Die beiden Männer fangen zu winken an. Servus Altenwyl! Servus Leibl! Unsere Boote liegen nah beieinander, die Männer reden aufgeregt, Leibl hat seine Boote noch nicht herausgenommen, Atti lädt ihn ein, morgen zum Mittagessen zu kommen. Wieder einer mehr, denke ich, das ist also der sieghafte kurzleibige Herr Leibl, der alle Regatten gewinnt auf seinem Katamaran, ich winke achtungsvoll, da ich nicht schreien kann wie Atti und schaue manchmal in den Rückspiegel. Denn heute abend wird dieser Leibl sicher in ganz St. Gilgen erzählen,daß er den Atti ohne Antoinette und mit einer blonden Person gesehen hat. Der siegende Herr Leibl kann nicht wissen, daß Antoinette heute unbedingt zum Friseur gehen muß, daß es ihr überhaupt ganz gleichgültig ist, mit wem Atti auf dem See herumrast, denn Atti denkt drei Monate lang nur an den See und an Segelboote, wie Antoinette jedem unter vier Augen schmerzlich beteuert, an nichts anderes als an diesen verdammten See, an sonst gar nichts.
Am späten Abend müssen wir noch einmal auf den See, mit dreißig oder fünfunddreißig Knoten dahin, weil Atti mit einem Segelmacher verabredet ist, die Nacht ist
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