Malina
gesehen habe, fragt fassungslos, was ist denn, ist etwas? Bitte geh, ich muß ihn beruhigen, flüstere ich. Ich höre die Polizeisirene, die Polizisten springen schon aus einem Streifenwagen, ich sage in höchster Angst, hilf mir jetzt, wir müssen die loswerden, wir müssen. Malina spricht mit den Polizisten und erklärt, es gebe hier ein Fest und Übermut, Übermut und sehr viel gute Laune. Mich hat er ins Dunkel geschoben. Die Polizei fährt wirklich wieder weg, Malina kommt zurück, er sagt eindringlich, ich habe verstanden, das kommt von ihm da oben geflogen, er hat mich nur um ein Haar verfehlt, du kommst jetzt mit mir, oder wir sehen einander nie wieder, das muß ein Ende haben. Aber ich flüstere, ich kann nicht mitkommen, laß es mich nur noch einmal versuchen, ich will ihn beruhigen, er hat es getan, weil du geläutet hast, ich muß sofort zurück. Bitte nicht mehr läuten! Versteh doch, wir sehen einander wieder, sagt Malina, aber nicht, eh das ein Ende hat, denn er hat mich töten wollen. Ich widerspreche leise, nein, nein, er hat nur mich, ich fange zu weinen an, denn Malina ist gegangen, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, ich muß die Spuren verwischen, ich sammle die Scherben auf der Straße ein, schiebe mit den Händen die Blumenund die Erde zum Rinnstein, ich habe heute nacht Malina verloren und Malina hätte aufs Haar heute nacht sterben müssen, wir beide, Malina und ich, aber es ist stärker als ich und meine Liebe zu Malina, ich werde weiter leugnen, im Haus brennt Licht, mein Vater ist auf dem Boden eingeschlafen, inmitten der Verwüstung, alles ist zerstört, verwüstet, ich lege mich neben meinen Vater, in die Verwüstung, denn hier ist mein Platz, neben ihm, der schlaff und traurig und alt schläft. Und obwohl es mich anwidert, ihn anzusehen, muß ich es tun, wissen muß ich, welche Gefahr noch in sein Gesicht geschrieben ist, wissen muß ich, woher das Böse kommt, und ich erschrecke, aber anders als sonst, denn das Böse ist in einem Gesicht, das ich nicht kenne, ich krieche auf einen fremden Mann zu, dem die Erde an den Händen klebt. Wie bin ich hierhergeraten, wie in seine Macht, in wessen Macht? Mir kommt in meiner Erschöpfung ein Verdacht, aber der Verdacht ist zu groß, ich schlage den Verdacht sofort nieder, es darf nicht ein fremder Mann sein, es darf nicht vergeblich und nie ein Betrug gewesen sein. Es darf nicht wahr sein.
Malina öffnet eine Flasche mit Mineralwasser, aber er hält mir auch ein großes Glas mit einem Schluck Whisky vors Gesicht, er besteht darauf, daß ich estrinke. Ich mag nicht mitten in der Nacht Whisky trinken, aber da Malina so besorgt aussieht, seine Finger in mein Handgelenk gedrückt sind, nehme ich an, daß es mir nicht gutgeht. Er sucht meinen Puls, zählt und sieht nicht zufrieden aus.
Malina: Hast du mir noch immer nichts zu sagen?
Ich: Mir zeigt sich etwas, ich fange auch an, eine Logik darin zu sehen, aber ich verstehe im einzelnen nichts. Einiges ist ja halbwegs wahr, etwa daß ich auf dich gewartet habe, auch daß ich einmal eine Stiege hinuntergegangen bin, um dich aufzuhalten, auch das mit den Polizisten stimmt beinahe, nur hast nicht du ihnen gesagt, sie sollten gehen, es sei ein Mißverständnis, sondern ich selber habe es ihnen gesagt, ich habe sie weggeschickt. Oder? Die Angst war größer im Traum. Würdest du denn je die Polizei holen? Ich kann das nicht. Ich hatte sie ja auch nicht geholt, das haben die Nachbarn getan, ich habe die Spuren verwischt, falsch ausgesagt, das gehört sich doch, nicht wahr?
Malina: Warum hast du ihn gedeckt?
Ich: Ich habe gesagt, es sei ein Fest, ein turbulentes, ein übliches Fest. Alexander Fleisserund der junge Bardos sind unten gestanden, sie waren im Auseinandergehen, dann hätte Alexander beinahe ein Gegenstand getroffen, ich sage dir nicht welcher, er war groß genug, um jemand zu töten. Flaschen sind auch heruntergeworfen worden, natürlich keine Blumentöpfe. Ich habe gesagt, irrtümlich. Das kann doch vorkommen. Zugegeben, es kommt nicht häufig vor, nicht in allen Familien, nicht jeden Tag, nicht überall, aber vorkommen kann es ja, bei einem Fest, stell dir die Laune der Leute vor.
Malina: Ich spreche nicht von Leuten, das weißt du. Und ich frage nicht nach Launen.
Ich: Auch hat man keine Angst, wenn man weiß, daß es wirklich passieren könnte, es ist ganz anders, die Angst kommt später, in einer anderen Gestalt, sie kommt heute nacht. Ach ja, du willst etwas anderes wissen. Ich
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