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Malka Mai

Malka Mai

Titel: Malka Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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traten.
    Hanna zögerte. Sie kannte Frau Kowalska nicht besonders gut, sie wusste nur, dass die Frau früh verwitwet war, hatte aber vergessen, wodurch sie ihren Mann verloren hatte. Es war schon zwei Jahre her, dass sie ihre Mutter behandelt hatte, eine zähe, starrköpfige Alte, die nicht loslassen konnte. Sie hatte sich dem Tod widersetzt und erst aufgegeben, als sie bis aufs Gerippe abgemagert war. Damals hatte Hanna die Bäuerin als fürsorgliche Tochter und freundliche Frau erlebt, aber damals hatte das Verhältnis unter umgekehrten Vorzeichen gestanden, da war es die Bäuerin gewesen, die sie gebraucht und etwas von ihr gewollt hatte.
    Hanna streckte die Hand aus und klopfte an die Tür, gleich darauf waren Schritte zu hören, ein Riegel wurde zurückgeschoben, die Tür ging auf. Frau Kowalska stutzte, doch dann erkannte sie Hanna. »Frau Doktor«, sagte sie mit einem fragenden Ton in der Stimme, »Frau Doktor?«
    Hanna brachte kein Wort heraus, sie hob hilflos die Hände, räusperte sich, erst dann beherrschte sie ihre Stimme wieder. »Wir brauchen Hilfe«, sagte sie. »Die Deutschen …«
    Frau Kowalska nickte und führte sie in die Küche, die von einer Petroleumlampe mehr schlecht als recht erhellt wurde. Minna hielt noch immer die schlafende Malka auf dem Arm, ein blonder Zopf baumelte über den Ärmel ihrer blauen Jacke. Hanna sah, wie die Augen der Bäuerin sanft wurden, sie sah, wie zärtlich sie Minna das Kind aus dem Arm nahm und es auf die Ofenbank legte. Meine schöne Tochter hat es wieder mal geschafft, dachte Hanna und setzte sich neben Minna an den Tisch. Malka schien den Blick der fremden Frau zu spüren, ihre Lider zitterten, dann machte sie die Augen auf.
    »Was für ein hübsches Mädchen«, sagte Frau Kowalska und streckte die Arme aus. Vom Stall her hörte man das Muhen einer Kuh.
    »Ich habe Hunger«, sagte Malka und richtete sich auf.
    Malka saß am Tisch . Die Petroleumlampe, die an einem Haken an der Decke hing, warf seltsame Schatten auf die Holzplatte, Schatten, die wie Figuren aussahen, hin und her schaukelten und sich ständig änderten. Frau Kowalska machte eine Schranktür auf, bückte sich und versank in der Dunkelheit. Als sie wieder auftauchte, stellte sie eine Schüssel und einen Krug Dickmilch auf den Tisch, holte aus einem anderen Schrank ein Sieb mit einem Berg gekochter, bräunlich-schwarzer Kartoffeln, setzte sich hin, nahm ein kleines Messer aus der Schublade und fing an zu schälen.
    Ihre Hände waren rund, alles an Frau Kowalska war rund. Malka ließ den Blick nicht von diesen runden Händen, die schnell und geschickt das Messer bewegten und die Schalen abzogen, und sie sah, wie unter der braunen Haut die Kartoffel hervorkam, blass und mit schwarzen Augen. Zu Hause stach Minna die Augen immer aus, aber die Bäuerin ließ sie drin. Die runde Hand legte eine Kartoffel nach der anderen in die Schüssel, dann kippte sie aus dem Krug Dickmilch darüber und nahm drei Löffel aus der Schublade. Die Löffel waren aus Blech, leicht verbogen und mit stumpfen, weißlichen Stellen.
    Malka nahm einen Löffel, beugte sich vor und fing sofort an zu essen. Sie war überrascht, weil die Kartoffeln kalt waren, aber sie war hungrig, sie kaute und schluckte und kaute und schluckte und spürte, wie ihr Bauch sich beruhigte. Erst dann hob sie den Blick und sah, dass auch die Hand ihrer Mutter immer wieder im Licht auftauchte und mit voll gehäuftem Löffel in der Dunkelheit verschwand. Nur Minnas Hand hing bewegungslos über dem Tisch. Erst als die Mutter sagte: »Los, Minna, iss, du musst bei Kräften bleiben«, senkte Minna den Löffel, quetschte ein Stück Kartoffel ab und schob es in den Mund.
    Als die Schüssel leer war, war Malka satt und zufrieden. Sie ließ sich bereitwillig von der fremden Frau über die Haare streichen, und als sie sie auf ihren Schoß zog, legte sie den Kopf an die runde Schulter, die nach Kühen und Heu und Schweiß roch, und machte die Augen zu. Sie spürte noch, wie die Frau sie hochhob und durch die Küche trug, dann war sie eingeschlafen.
    Hanna lag auf dem Bett , das Frau Kowalska für sie und Minna in der Kammer hergerichtet hatte, ein einfacher, noch nicht einmal besonders gut gefüllter Strohsack, über den eine Wolldecke gebreitet war. Neben ihr, an der Wandseite, lag Minna. Sie bewegte sich nicht. Hanna hörte an ihren abgehackten Atemzügen, dass ihre Tochter mit dem Weinen kämpfte, und berührte ihr Gesicht. Da drehte sich Minna auf die Seite,

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