Malka Mai
dafür, dass du am Leben bleibst. Dann wird die Welt auch wieder anders.« Ihre Haare standen wie Gänseblümchenblätter um das runde Gesicht und hoben sich seltsam weiß gegen ihre braune Haut ab. Die Frau hatte viele Fältchen um die Augen und zwei tiefe Furchen zogen sich von ihren Nasenflügeln an den Mundwinkeln vorbei bis zum Kinn. Als es hell genug geworden war, konnte Malka einen Flaum über ihrer Oberlippe erkennen. Diese Härchen waren seltsamerweise schwarz. Die Frau lächelte Malka zu, Malka lächelte zurück, aber immer wieder wanderte ihr Blick zu Schlomo und Jossel. Die beiden gaben ihr das Gefühl, nicht ganz verlassen zu sein, sie gehörten zu Lawoczne, genau wie sie, sie waren ein Stück Polen in diesem fremden Ungarn.
Hanna schleppte sich hinter den anderen her. Die Flucht war nicht mehr komfortabel, nur mit einem bitteren Lächeln dachte sie an dieses Wort, das ihr am ersten Tag eingefallen war. Nein, nicht komfortabel, aber offenbar sehr gut geplant und im Voraus bezahlt. Sie hatten inzwischen einen neuen Führer, einen ungarischen Bauern, der Mann mit dem Esel war verschwunden, die anderen Flüchtlinge mussten ihre Rucksäcke selbst tragen. Und ab jetzt würden sie abends und nachts wandern und tagsüber schlafen, hatte ihr Führer ihnen erklärt, damit sie nicht entdeckt wurden, hier in der Gegend gebe es bekanntermaßen viele Pfeilkreuzler.
Als sie am frühen Abend unten am Berg gestanden hatten, hatte er gesagt, der Aufstieg sei schwer, sie sollten lieber alles Überflüssige hier in einem Versteck lassen. Dabei hatte er auf eine Höhle gedeutet, die von der Böschung zwischen den dicken Wurzeln einer Eiche hindurch in den Hang hineinführte, vermutlich ein alter Fuchsbau.
Hanna und Minna hatten kein Gepäck, auch Rubens Rucksack war klein und flach, es konnte nicht viel darin sein. Sie hatten zugeschaut, wie die drei Ehepaare silberne Leuchter auspackten, Besteck, kostbare Schalen, Kleidungsstücke, Schuhe mit hohen Absätzen, sogar ein paar Bücher, und alles in die Fuchshöhle schoben. Ein Haufen kostbarer Gegenstände. Der Bauer verschloss die Höhle mit Reisig und Gras. Er wird sich die Stelle merken, so viel ist sicher, dachte Hanna, vielleicht hat er sie vorher ausgesucht oder sogar selbst gegraben. Diese Sachen sind ein schönes Zubrot zu dem Geld, das er bestimmt schon kassiert hat. Aber dieser Gedanke ließ sie gleichgültig. Sie empfand keine Abneigung mehr gegen diese reichen Leute, weder Neid noch Ärger, aber auch keine Sympathie und kein Mitleid. Und der Gedanke, dass sie Kopolowici Geld für Malka gegeben hatten, bedrückte sie jetzt weniger, die Schätze, die sie hier zurückließen, waren jedenfalls mehr wert.
Hintereinander her gingen sie durch den Wald den Berg hinauf. Hanna hatte nichts zu tragen, sie besaß nur, was sie am Leib trug, und in der Innentasche ihrer Jacke, ein paar Papiere, die nicht viel wogen, ganz im Gegensatz zu ihren Gedanken, die sie fast erdrückten. Sie hätte das Kind nicht dort lassen sollen, andererseits war es eine Erleichterung, sie bei diesem schweren Weg nicht dabei zu haben. Sie beruhigte sich damit, dass Malka jetzt in einem Bett lag und schlief, dass sie satt war und es warm hatte. Und in ein paar Tagen, wenn es ihr wieder besser ging, würde sie bequem mit Kopolowici im Zug nach Munkatsch fahren.
Der Weg führte bergauf, immer nur bergauf. Im Wald war es nun schon so dunkel, dass Hanna die anderen nicht mehr sehen konnte, nur noch Minna, die unmittelbar vor ihr ging. Das Mädchen hielt sich tapfer, sie war eine bessere Läuferin als Hanna, die das Gefühl hatte, gleich zusammenzubrechen. Mit jedem Schritt wuchs ihre Sehnsucht, sich einfach fallen zu lassen. Als sie den Wald hinter sich hatten, war es heller. Sie stiegen nun einen schmalen Weg bergauf, auf der einen Seite erhob sich senkrecht ein Felsen, auf der anderen drohte eine Schlucht, die steil nach unten führte, ohne dass der Grund zu erkennen war, dazu war es wiederum nicht hell genug. Hanna wusste, dass ein unvorsichtiger Schritt sie das Leben kosten könnte.
Hanna stolperte, fiel, hielt sich an etwas Gestrüpp fest und kroch auf allen vieren weiter. Sie konnte die Umrisse der anderen erkennen, sah, wie Frau Wajs sich weiterbewegte, ängstlich an die Felswand gedrückt, immer wieder ermuntert von ihrem Mann, der einen Schritt hinter ihr ging. An einer Stelle, an der der Weg zwei, drei Meter breit wurde, blieb der Bauer stehen. Alle lehnten sich an den Felsen, alle wandten
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