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Malka Mai

Malka Mai

Titel: Malka Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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ob er ihr die Tiere zeigen solle.
    »Bring sie gleich in den Stall«, sagte sein Vater.
    »Ich auch!«, rief Julek, rutschte vom Stuhl und griff nach Malkas Hand. Zufrieden hopste er neben ihr her.

November
    Malka gefiel es gut bei Teresa , sogar sehr gut. Abends nahmen Zygmunt und Teresa den kleinen Julek zu sich ins Bett, um für Malka einen Schlafplatz frei zu machen. Das Kinderbett war schmal und kurz, wenn sie sich nicht zusammenrollte, hingen ihre Beine über das Brett am Fußende in die Luft. In der ersten Nacht hatte sie kaum geschlafen, weil das Bett so kurz war und außerdem hatte ihr der Po wehgetan. Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass sie auf die Atemzüge der anderen lauschte, auf die von Marek und Antek im Bett neben ihr und auf die der Eltern und des kleinen Julek im anderen Bett. Zygmunt schnarchte mit tiefen, rasselnden Tönen, Teresa stieß immer wieder hohe, laute Schnaufer aus. Malka drehte sich hin und her, rollte sich zusammen, dehnte sich, machte die Augen auf und wieder zu und hatte am nächsten Morgen das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben.
    Malka stand auf, nachdem Zygmunt mit seinem Fahrrad weggefahren war, und ging mit Teresa in den Stall. Die drei Jungen schliefen noch. Teresa setzte sich neben die Ziege und fing an, sie zu melken. Dabei sang sie. »Die Ziege hat es gern, wenn ich singe«, sagte sie. Ich auch, dachte Malka und lachte, weil Teresa lachte. So lange hatte sie schon nicht mehr gelacht. Die Ziegenmilch roch scharf und schmeckte seltsam, ganz anders als die Milch, die Malka kannte. Trotzdem trank sie den Becher leer, den Teresa ihr zum Frühstück hinstellte. Dann weckte Teresa die Jungen und Malka half ihr, Antek und Julek anzuziehen und Antek zu füttern.
    Antek war wirklich anders, aber wenn er Malka die Arme um den Hals legte und sein Gesicht an sie drückte, wusste sie genau, was Teresa damit gemeint hatte, als sie sagte, er sei etwas Besonderes. Wenn die Sonne schien, brachte Teresa ihn hinaus in die frische Luft, auf ein mit Latten eingezäuntes Stück Wiese. Der Zaun war so niedrig, dass man mit einem Schritt drübersteigen konnte. »Aber Antek kann nicht raus«, sagte Teresa. »Hier ist er sicher.«
    Malka holte die Holzbausteine aus der Küche und legte sie in einer Reihe vor den Jungen hin. Sie waren glatt geschliffen und fühlten sich an wie Seide. Antek lachte. Er lachte immer, den ganzen Tag lang. Auch Teresa lachte viel. Für Malka war das eine ganz neue Erfahrung, in ihrer Familie war nie viel gelacht worden. Sie bat Teresa um Lappen und eine Nadel und einen Faden und nähte für Antek einen Ball. Wie das ging, hatte sie von Tanja gelernt. Teresa gab ihr einen Kuss, als Antek vor Vergnügen laut lachte und dem Ball nachkrabbelte.
    Malka half beim Eiersuchen, sie half im Garten, zog dicke Karotten aus der Erde und zupfte nach Teresas Anweisung Unkraut. Teresa lachte laut, als sie einen Regenwurm, den sie gestört hatte, hochhob und in ein anderes Beet trug. Malka schaute sie erstaunt an und lachte auch, obwohl sie nicht verstand, was die Frau so komisch fand. Aber sie fühlte sich wohl, schon lange war es ihr nicht mehr so gut gegangen. Das Gefühl wurde so übermächtig, dass sie zu Antek lief, in seinen Verschlag stieg und ihn kitzelte, bis er laut krähte und Julek eifersüchtig nach ihr rief.
    Abends, beim Essen, sagte Teresa zu Zygmunt: »Schade, dass wir keine große Tochter haben, das Leben ist leichter mit einer großen Tochter.«
    Als sie in ihrem zu kurzen Bett lag, beschloss Malka, sehr fleißig zu sein und viel zu helfen. Sie musste sich absolut unentbehrlich machen, damit Teresa sie bei sich behielt, weil sie die Arbeit nicht alleine schaffte. Mit Teresa konnte Malka sogar Wörter wie »morgen« oder »übermorgen« denken. In dieser Nacht schlief sie besser.
    Die Tage vergingen. Malka machte sich nützlich. Von morgens bis abends hielt sie die Augen offen, ob sie Teresa irgendwie helfen konnte. Zusammen mit Marek kümmerte sie sich um die Tiere. Das waren eine große Ziege und eine kleine, die tagsüber auf einer nahen Wiese grasten. Abends mussten sie in den Stall gebracht werden. Marek legte der großen Ziege einen Strick um den Hals und zog sie zum Stall, der hinten an das Haus angebaut war, die kleine Ziege folgte ihnen, ohne angebunden zu sein. In einem mit Maschendraht eingezäunten Gehege gab es auch Hühner. Marek trieb sie mit Klatschen und Rufen in einen kleinen gemauerten Verschlag. Julek half ihm dabei, indem er

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