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Malka Mai

Malka Mai

Titel: Malka Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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endlich, und sie müsse unbedingt nach Lawoczne und ihr Kind holen, alles andere sei nicht mehr wichtig.
    Die Förstersfrau, die von dem Gemurmel nur so viel verstanden hatte, dass Hanna aus Ungarn nach Polen zurückgekommen war, fragte erstaunt: »Sie sind durch den Schnee gekommen?« Und Hanna fing sofort wieder mit ihrer Geschichte an, unfähig, sich verständlich zu machen.
    Erst Stunden später, sie hatte gegessen, sie hatte getrunken, sie war wieder herumgelaufen, konnte sie normal sprechen. Sie saß mit den Förstersleuten am Tisch. »Es war furchtbar«, sagte sie. »Die Berge im Winter sind die Hölle. Mein Führer hat mich an einem Seil hinter sich hergezogen, sonst hätte ich es nicht geschafft, ich wäre einfach im Schnee liegen geblieben.«
    »Der Schnee ist dieses Jahr sehr spät gekommen«, sagte der Förster und schenkte ihr einen Wodka ein. Sie trank das Glas in einem Zug leer und erzählte noch einmal ihre Geschichte. Als sie die anerkennenden, fast bewundernden Blicke der beiden wahrnahm, sagte sie schnell, um die Gunst der Stunde zu nutzen: »Ich muss nach Lawoczne, irgendwie. Ohne mein Kind bedeutet mir das Leben nichts mehr. Ohne mein Kind kann ich mich gleich den Deutschen stellen.« Sie begann zu weinen, wie sie als Kind geweint hatte, hemmungslos, laut. Was für eine Erleichterung es war, so zu weinen, sie wusste nicht, ob sie wegen Malka weinte oder aus Mitleid mit sich selbst, wegen der Anstrengungen, die sie hinter sich hatte.
    »Kommen Sie«, sagte die Förstersfrau, beruhigend, wie man zu einem Kind spricht. »Sie müssen jetzt erst einmal schlafen. Hier, auf dem Ofen. Diesmal brauchen Sie nicht in die Scheune zu gehen, bei diesem Wetter kommt keiner zu uns herauf, ganz bestimmt keine deutschen Soldaten. Die bringen sich nicht unnötig in Gefahr. Schlafen Sie und morgen sehen wir weiter.«
    Hanna stieg auf den Ofen und legte sich auf eine der beiden Decken, die ihr die Frau reichte, mit der zweiten deckte sie sich zu. Der Ofen war warm, sie streckte sich aus und erst jetzt wurde ihr klar, welche Strapazen sie hinter sich gebracht hatte, seit sie in Bereksis aus dem Zug gestiegen war. Jeder einzelne Muskel ihres Körpers tat weh. Trotzdem weinte sie vor Erleichterung.
    Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als Malka endgültig merkte, dass sie sich verlaufen hatte. Es musste in der Zeit, in der sie in der Kirche gewesen war, lange geschneit haben, eine dicke, weiße Schneeschicht bedeckte die Straßen, die Dächer, die Bäume und alles sah anders aus, fremd, und die Häuser waren nur schwer voneinander zu unterscheiden, als habe sich die Welt einen weißen Schleier übergezogen, um sich vor Malka zu verstecken.
    Malka irrte von einer Straße in die nächste. Wenn sie den Markt fände, wo ihr die Bäuerin gestern den Apfel geschenkt hatte, wüsste sie, in welche Richtung sie laufen müsste. Verzweifelt fing sie an zu rennen, aber alles war ihr fremd, jedes Haus, jede Gasse, jeder Platz. Langsam kroch die Nässe von ihren Strumpfspitzen, die aus den abgeschnittenen Kappen hervorschauten, in die Schuhe und bald waren ihre Füße ganz nass. Sie rutschte über den Schnee, sie trat in Pfützen, deren dünne Eisschicht klirrend unter ihren Füßen zerbrach.
    Einmal kam sie auch am Bahnhof vorbei, aber das nützte ihr nichts, sie konnte sich nicht erinnern, wie sie vom Bahnhof zum Krankenhaus gekommen war. Immer wieder schaute sie Leute auf der Straße an und überlegte, wen sie um Hilfe bitten könnte, aber eine innere Stimme warnte sie, nach dem Weg ins Ghetto zu fragen. Sie lief und lief und stellte fest, dass sie im Kreis gelaufen sein musste, denn sie erkannte Plätze und Häuser wieder, die sie am Morgen, nachdem sie die Kirche verlassen hatte, schon einmal gesehen hatte.
    Schließlich hielt sie ein Mädchen an, nicht viel älter als sie selbst, das ihr, einen dicken Wollschal um den Hals und eine gestrickte Mütze auf dem Kopf, entgegenkam. In der Hand trug sie einen Korb, dessen Inhalt mit Zeitungspapier abgedeckt war.
    »Kannst du mir bitte sagen, wo das Ghetto ist?«, fragte Malka.
    Das Mädchen stellte den Korb ab, das Zeitungspapier verrutschte und Kartoffeln schauten heraus. »Heute ist dort nichts mehr los«, sagte sie und lachte freundlich. »Du hättest gestern zuschauen sollen, als sie die Juden abgeführt haben, da gab’s was zu sehen mit all den Hunden.«
    Malka starrte das Mädchen stumm an, unfähig, ein Wort zu sagen.
    Das Lachen rutschte aus dem Gesicht des Mädchens, sie

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