Malka Mai
mehr, sie war durch die Tür geschoben worden und stand vor einer Theke, wo ein paar Frauen aus riesigen Behältern Suppe in die hingehaltenen Essgeschirre schöpften. Eine Frau streckte ihr die Hand entgegen, um ihr Essgeschirr in Empfang zu nehmen, aber Malka schüttelte den Kopf, hob die Hände und bewegte sie hin und her. Die Frau drehte sich wortlos um, nahm eine leere Konservenbüchse von einem Regal, füllte sie mit Suppe und hielt sie Malka hin.
Malka nahm die Büchse, sie war heiß gegen ihre klammen Finger, aber nicht so heiß, dass sie sich daran verbrannt hätte. Beide Hände fest um die Büchse gelegt, trug sie ihren Schatz behutsam an den Wartenden vorbei. Ein paar Schneeflocken fielen in die Blechbüchse und schmolzen, noch bevor sie in die Suppe gefallen waren. Erst als sie die Leute weit hinter sich gelassen hatte, hockte sie sich in eine Einfahrt und trank die Suppe, vorsichtig, um sich an dem schartigen Büchsenrand nicht die Lippen zu verletzen. Fleisch war nicht darin, da hatte ihre Nase sie getäuscht, nur Kohl und Rüben und Kartoffeln, aber sie schmeckte wunderbar und wärmte sie von innen.
Weil das Schneien stärker wurde und es auch anfing zu dämmern, ging Malka in eine Kirche. Hier war es zwar nicht geheizt, aber wenigstens trocken. Die Kirche war leer bis auf eine Frau, die in der ersten Bank kniete. Der Raum wurde nur von ein paar Lichtern erhellt, vor ein paar Heiligenbildern brannten Kerzen. Auf beiden Seiten des Gestühls, zwischen den Heiligenbildern, standen die dunklen Blöcke der Beichtstühle. Malka starrte sie an. Schnell schlug sie ein Kreuz und setzte sich in eine Bank.
Sie schloss die Augen und überlegte und fand nichts, was gegen ihre Idee sprach. In einer Kirche war sie sicher, nachts kamen keine Menschen, die beichten wollten, und die Priester, die sonst die Beichte abhielten, schliefen bestimmt mit einer Wärmflasche in ihren weichen Betten. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde in einem Beichtstuhl schlafen. Es war zwar kalt hier, aber nicht kälter, als es in ihrem Kohlenkeller in Skole gewesen war, sie würde es aushalten.
Vorsichtig stand sie auf. Die Frau in der ersten Reihe betete, sie drehte sich nicht um, sie hatte vermutlich überhaupt nicht gemerkt, dass Malka in die Kirche gekommen war.
Im Beichtstuhl war es dunkel. Malka hockte sich in die Ecke, zog die Knie an und legte den Kopf auf die verschränkten Arme. Nicht denken, sie war froh, dass sie das geübt hatte, ihr Kopf wurde ganz leer, sie wartete. Als ihre Beine steif wurden, stand sie auf, bewegte sich vorsichtig, bis das Blut wieder durch ihre Beine strömte, dann legte sie sich auf den Boden und rollte sich zusammen. Der Boden war zum Glück aus Holz und nicht so kalt, wie sie gefürchtet hatte.
Später hörte sie, wie jemand mit schweren, hallenden Schritten durch die Kirche ging, dann fiel die Tür ins Schloss, ein Schlüssel wurde umgedreht. Als sie sehr lange nichts mehr gehört hatte, riss sie den Vorhang ab, der im Beichtstuhl hing, und wickelte sich hinein. Bevor sie einschlief, aß sie noch den Apfel. Die angefaulte Stelle schmeckte widerlich, sie aß sie trotzdem, das Gehäuse sowieso. Die Kerne hatten einen seltsam bitteren Geschmack, den sie schon kannte. Sogar den kleinen Stiel kaute sie so lange, bis er ein Brei war und sich hinunterschlucken ließ.
Hanna war halb erfroren , als sie an die Tür des Forsthauses klopfte.
Der Förster erkannte sie nicht und sie brachte keinen Ton heraus, sie starrte ihn nur an und hob die Hände. Die Frau des Försters kam angelaufen und fing Hanna auf, als sie zusammenbrach. Hanna merkte, wie sie in die Küche getragen wurde. Die Frau zog ihr die klammen Sachen aus, wusch sie mit warmem Wasser ab und rubbelte sie mit einem Handtuch trocken. Sie zog ihr Sachen von sich an und zwang sie, sich zu bewegen, in der Küche hin und her zulaufen und zu erzählen, wo sie herkam.
Hanna, kopflos, ohne Kontrolle über das, was sie sagte, berichtete von der gelungenen Flucht nach Ungarn, von Malkas Erkrankung und davon, dass sie das Kind bei fremden Leuten zurückgelassen hatte. Einmal habe sie schon versucht, nach Polen zu kommen, um das Kind zu holen, aber man habe sie reingelegt oder sie habe sich selbst reingelegt, aber das sei ja auch egal, Frau Kohn aus Budapest, sie möge gesund sein und leben bis hundertzwanzig, habe ihr geholfen, als sie merkte, dass Hanna sich nicht davon abbringen ließ, in Hitlers Fänge zurückzukehren, und jetzt sei sie da, in Polen,
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