Malloreon 1 - Herrn des Westens
erklang von hinter ihnen, dann ein eigenartiges Pfeifen über ihnen, als das Seil eines von Yarbleks katapultierten Enterhaken in hohem Bogen über sie und die Nordmauer hinwegschwirrte. Ein stählernes Klicken war zu hören, als der Haken gegen die Innenseite der Mauer schlug, dann ein Scharren, ehe die Hakenspitzen Halt fanden.
Tief geduckt schlichen Garion und Durnik vorsichtig nach links und bemühten sich, das Geräusch ihrer Stiefel im Matsch so leise wie möglich zu halten. Ihre Gedanken tasteten bereits nach dem nächsten Gesteinsspalt. Als Lelldorin wieder mit ihnen zusammentraf, hatten sie drei Spalten unter der aufgeweichten Erde verbreitert. Hinter und über ihnen gurgelte und gluckerte es, als der flüssige Schlamm aus dem Hang quoll und in brauner Flut durch den weißen Matsch rann. »Ich bin bis zum Ende unserer Pfeillinie gekommen«, erklärte Lelldorin. »Auf dieser Seite ist die Schnur gespannt.«
»Gut.« Garion keuchte vor Anstrengung. »Geh und sag Barak, er soll seine Männer in Stellung bringen.«
»Mach ich.« Lelldorin drehte sich um und stapfte in ein plötzliches Schneegestöber hinein.
»Mit diesem hier müssen wir vorsichtig sein«, murmelte Durnik, während sein Wille sich unter der Oberfläche dahintastete. »Dieser Teil des Gesteins ist von vielen Rissen durchzogen. Wenn wir den Spalt zu weit öffnen, birst die ganze Felsschicht und läßt einem wahren Fluß freien Lauf.«
Garion murmelte, daß er verstanden habe, während er tastende Geistfinger zu dem Spalt schickte.
Als sie die letzte ihrer unterirdischen Quellen erreichten, kam Silk aus der Finsternis hinter ihnen. Seine behenden Füße verursachten keinen Laut im Matsch.
»Wo bist du so lange geblieben?« brummte Durnik. »Du hattest doch keine dreihundert Fuß zu gehen.«
»Ich habe den Hang überprüft«, antwortete Silk. »Der Schlamm quillt wie kalte Tunke durch den Schnee. Dann bin ich hochgestiegen und habe den Fuß gegen einen Stein des Mauerfundaments gedrückt. Er wackelte wie ein lockerer Zahn.«
»Gut«, sagte Durnik befriedigt. »Es funktioniert also.«
Eine flüchtige Stille setzte in der schneeigen Dunkelheit ein. »Soll das heißen, daß du dir gar nicht sicher warst?« würgte Silk hervor.
»Theoretisch konnte nichts schiefgehen«, antwortete der Schmied gleichmütig. »Aber einer Theorie kann man nie ganz sicher sein, ehe sie sich nicht in der Tat bewährt hat.«
»Durnik, für so etwas werde ich allmählich zu alt!«
Ein zweiter Enterhaken schwirrte über sie hinweg.
»Wir haben noch einen Spalt vor uns«, flüsterte Garion. »Barak bringt seine Leute in Stellung. Würdest du bitte noch einmal zurückgehen und Yarblek bitten, Mandorallen das Signal zu geben?«
»Es ist mir eine Ehre«, versicherte ihm Silk. »Außerdem will ich ohnehin von hier weg sein, ehe wir alle bis zu den Hüften im Schlamm stecken.« Er drehte sich um und schlich durch die Dunkelheit.
Zehn Minuten später, nachdem der letzte Spalt geweitet und der gesamte Nordhang zu einer rinnenden Masse von Schlamm und Wasser geworden war, schoß eine leuchtende Kugel aus brennendem Pech in hohem Bogen über die Stadt. In Erwiderung dieses vereinbarten Zeichens begannen Mandorallens Wurfmaschinen mit einem stetigen Beschuß. Ihre Geschosse flogen hoch über die Stadt und schmetterten gegen die Innenseite der Nordmauer. Gleichzeitig spannten sich die Seile von Yarbleks Enterhaken, als die nadrakischen Söldner begannen, ihre Pferde von der Mauer wegzutreiben. Entlang der Hügelkuppe erklang ein ominöses Mahlen und Knirschen, als die unterminierte Mauer zu schwanken begann.
»Wie lange wird sie noch widerstehen?« fragte Barak, als er mit Lelldorin aus der Dunkelheit kam.
»Nicht mehr lange«, versicherte ihm Durnik. »Der Boden gibt bereits nach.«
Das ächzende Knarren über ihnen wurde lauter und immer wieder übertönt von dem scharfen Krachen entlang der Innenseite, wenn Mandorallens Geschosse einschlugen.
Dann, mit dem Getöse einer Lawine, brach ein Mauerteil mit eigenartig fließender Bewegung ein, während der obere Teil nach außen kippte und der untere in die weiche Erde sank. Ein gewaltiges platschendes Grollen wurde laut, als die schweren Steine in den Matsch und Schlamm des Hanges fielen.
»Man sollte nie etwas nur auf Erdboden als Fundament erbauen«, bemerkte Durnik.
»Unter diesen Umständen bin ich allerdings froh, daß man es getan hat«, entgegnete Barak.
»Nun ja«, sagte Durnik, »trotzdem sollten Baumeister
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