Malloreon 1 - Herrn des Westens
Stimme. Er war ein korpulenter Mann um die Vierzig, mit dem roten, von auffallenden Äderchen durchzogenen Gesicht des starken Trinkers. »Sir Mandorallen hat meine Anverwandte entführt.«
»Eure Besorgnis um die Lady erstreckt sich nur auf Euer Recht, über sie zu bestimmen«, rief Mandorallen hitzig. »Ihr habt ihre Ländereien und ihre Habe mit unverschämter Roheit gegenüber ihren Gefühlen an Euch gerissen und…«
»Schon gut«, unterbrach ihn Garion, »das genügt. Euer beider persönlicher Streit hat halb Arendien an den Rand eines Krieges gebracht. Ist es das, was ihr wolltet? Seid ihr Kinder ohne Verantwortung, denen es nichts ausmacht, ihre Heimat zu zerstören, solange sie nur ihren Kopf durchsetzen?«
»Aber…«, versuchte Mandorallen einzuwerfen.
»Nichts aber!« Und Garion machte sich daran, ihnen in aller Ausführlichkeit und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, zu sagen, was er von ihnen hielt. Sein Ton war abfällig, und seine Wahl der Worte sehr zwanglos. Die beiden wurden abwechselnd bleich, während er zu ihnen sprach. Dann bemerkte Garion, daß sich Lelldorin vorsichtig näherte, um zu lauschen.
»Und du!« wandte der Rivanische König sich nun an den jungen Asturier. »Was machst du hier in Mimbre?«
»Ich? Nun – Mandorallen ist mein Freund, Garion.«
»Hat er um deine Hilfe gebeten?«
»Nun…«
»Dachte ich es mir doch! Du hast dich einfach eingemischt.« Und jetzt bezog er Lelldorin in seine Zurechtweisung ein, wobei er des öfteren mit dem Flammenschwert in der Rechten gestikulierte. Die drei beobachteten diese Klinge mit leicht besorgtem Blick, als er damit dicht vor ihren Nasen fuchtelte.
»Also gut«, brummte Garion, nachdem er die Luft geklärt hatte. »Wir werden folgendes tun.« Er blickte Sir Embrig herausfordernd an. »Wollt Ihr im Zweikampf gegen mich antreten?« Er schob kampflustig das Kinn vor.
Sir Embrigs Gesicht wurde fahlweiß und seine Augen traten fast aus den Höhlen. »Ich, Eure Majestät?« krächzte er. »Ihr wollt, daß ich gegen den Gottesbezwinger kämpfe?« Er fing heftig zu zittern an.
»Ich hatte es nicht wirklich erwartet«, brummte Garion. »Da Ihr es also nicht wollt, werdet Ihr sofort jegliches Recht als Vormund über die Baronin Nerina an mich abtreten!«
»Mit Freuden, Eure Majestät«, Embrigs Worte überschlugen sich schier.
»Mandorallen, willst du gegen mich kämpfen?«
»Du bist mein Freund, Garion!« entsetzte sich Mandorallen. »Ich will lieber sterben, als die Hand gegen dich erheben!«
»Gut. Dann wirst du alle territorialen Ansprüche zugunsten der Baronin an mich abtreten – sofort! Ich bin jetzt ihr Beschützer.«
»Ich bin damit einverstanden«, erklärte Mandorallen ernst.
»Sir Embrig«, sagte Garion daraufhin. »Ich übertrage Euch hiermit die gesamte Baronie von Vo Ebor, einschließlich der Ländereien, auf die Nerina einen rechtlichen Anspruch hätte. Nehmt Ihr sie an?«
»Ja, Eure Majestät.«
»Sir Mandorallen, ich biete Euch hiermit die Hand meines Mündels, Nerina von Vo Ebor, an. Nehmt Ihr sie an?«
»Von ganzem Herzen, mein Lord«, würgte Mandorallen, und Tränen glänzten in seinen Augen.
»Großartig!« sagte Lelldorin bewundernd.
»Halt den Mund, Lelldorin«, brummte Garion. »Das wäre es dann, meine Herren. Euer Krieg ist vorüber. Nehmt eure Truppen und führt sie nach Hause. Und wenn ihr keinen Frieden halten könnt, komme ich zurück. Doch das nächste Mal, wenn ihr mich zwingt einzuschreiten, werde ich sehr verärgert sein. Verstehen wir einander?«
Stumm nickten alle drei.
Damit war der Krieg beendet, glücklicherweise, noch ehe er begonnen hatte.
Die Baronin Nerina jedoch erhob energisch Einwände, als sie nach der Rückkehr von Mandorallens Truppen von Garions Entscheidungen erfuhr. »Bin ich etwa eine gewöhnliche Leibeigene, die einfach irgendeinem Mann übergeben werden kann, weil er sich bei meinem Lord beliebt gemacht hat?« fragte sie mit viel Gefühl für Dramatik.
»Stellt Ihr meine Rechte als Euer Vormund in Frage?« Garion blickte sie durchdringend an.
»Nein, mein Lord. Sir Embrig hat sie an Euch abgetreten. Also muß ich tun, was Ihr befehlt.«
»Liebt Ihr Mandorallen?«
Sie warf einen raschen Blick auf den stämmigen Ritter und errötete.
»Antwortet!«
»Ja, mein Lord«, gestand sie leise.
»Wo liegt dann das Problem? Ihr liebt ihn seit Jahren, aber wenn ich Euch anweise, ihn zu heiraten, weigert Ihr Euch!«
»Mein Lord«, sagte sie steif, »es gibt gewisse Formen,
Weitere Kostenlose Bücher