Malloreon 1 - Herrn des Westens
einen besseren Antrag. So, aber jetzt steh auf, Garion, du beulst die Knie deines Beinkleides aus, wenn du so am Boden bleibst.« Er erhob sich. »Frauen!« sagte er verständnislos und warf die Arme in die Höhe.
Sie bedachte ihn mit diesem Blick aus großen Augen, der ihm früher die Knie zu Gummi gemacht hatte, ehe er ihn als reine Effekthascherei erkannte. »Liebst du mich denn nicht mehr?« fragte sie mit unehrlicher zitternder Kleinmädchenstimme .
»Haben wir nicht beschlossen, das einander nicht noch einmal anzutun?«
»Aber das ist ein ganz besonderer Anlaß, Liebling«, antwortete sie. Dann lachte sie, sprang auf und schlang die Arme um seinen Hals. »O Garion«, rief sie immer noch lachend. »Ich liebe dich!«
»Das will ich auch hoffen.« Er nahm sie in die Arme und küßte ihre erhobenen Lippen.
Am nächsten Morgen kleidete Garion sich formlos und klopfte an die Tür von Ce'Nedras Gemach.
»Ja?«
»Ich bin es, Garion. Darf ich eintreten?« Seine guten sendarischen Manieren waren ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, daß er diese Höflichkeit immer walten ließ, ehe er die Tür zu jemandes Gemach öffnete, obgleich er hier der König war.
»Ja, natürlich«, rief sie.
Er betrat ihr absolut weibliches kleines Reich, ein Gemach in Rosa mit blaßgrünen Volants und Elle um Elle raschelnder Satin- und Brokatvorhänge. Ce'Nedras Lieblingshofdame, Arell, erhob sich und machte einen Hofknicks. Arell war die Tochter von Brands jüngster Schwester und eine von mehreren hochgeborenen rivanischen Damen, die um das persönliche Wohl der Königin besorgt waren. Sie war das Musterbeispiel einer Alornerin: groß, blond, mit üppigem Busen, um den Kopf gewundenen blonden Zöpfen, tiefblauen Augen und einer Haut wie frische Milch. Ce'Nedra und sie waren fast unzertrennlich und verbrachten viel Zeit damit, die Köpfe zusammenzustecken, zu wispern und zu kichern. Aus irgendeinem Grund errötete Arell jedesmal, wenn Garion das Gemach betrat. Er verstand das nicht, argwöhnte jedoch insgeheim, daß Ce'Nedra ihrer Hofdame gewisse Dinge erzählte, die eigentlich privat bleiben sollten – Dinge, die der Rivanerin das Blut in den Kopf schießen ließen, wann immer sie ihn anblickte.
»Ich gehe in die Stadt«, erklärte Garion. »Brauchst du etwas?«
»Ich mache meine Einkäufe lieber selbst, Garion«, antwortete Ce'Nedra und glättete den Satin ihres Morgenrocks. »Du bringst ja nie das Richtige mit.«
Er wollte darauf antworten, unterließ es dann aber. »Wie du willst. Wir sehen uns also zum Mittagessen.«
»Wie mein Lord befiehlt«, antwortete Ce'Nedra mit einem spöttischen Knicks.
»Hör auf damit.«
Sie schnitt eine Grimasse, dann rannte sie zu ihm und küßte ihn.
Garion wandte sich an Arell. »Meine Lady.« Er verbeugte sich höflich.
Arells Augen füllten sich mit unterdrücktem Lachen, aber auch mit seltsam überlegendem Blick. Wieder errötete sie und machte einen Knicks. »Eure Majestät«, sagte sie achtungsvoll.
Als Garion das Gemach verlassen hatte, fragte er sich, was Ce'Nedra dem blonden Mädchen erzählt hatte, daß sie sich so benahm. Er war Arell jedoch dankbar, denn durch sie hatte Ce'Nedra angenehme Gesellschaft, was ihm Zeit gab, sich um anderes zu kümmern. Seit Tante Pol die Entfremdung aus der Welt schaffte, die ihnen soviel Leid gebracht hatte, war Ce'Nedra sehr besitzergreifend, was Garions freie Minuten betraf. Im Großen und Ganzen fand er das Eheleben recht hübsch, doch manchmal neigte Ce'Nedra dazu, ein bißchen zu übertreiben.
Auf dem Korridor wartete Brands zweitgeborener Sohn Kail mit einem Pergament in der Hand. »Sire, ich glaube, dies bedarf Eurer sofortigen Beachtung.«
Obgleich Kail ein Krieger war und so groß und breitschultrig wie sein Vater und seine Brüder, war er auch ein Gelehrter, intelligent und verschwiegen, und er kannte Riva und sein Volk gut genug, um unter den zahllosen an den König gerichteten Gesuchen, Anträgen und Vorschlägen die wichtigen von den nichtigen zu trennen. Als Garion den Thron bestiegen hatte, war ihm bald klar geworden, daß er einen tüchtigen Mann als Haupt der Staatsverwaltung brauchte, und Kail erschien ihm für diesen Posten wie geschaffen. Er war etwa vierundzwanzig und hatte einen gepflegten und stets gut gestutzten braunen Bart. Die unzähligen Stunden, die er am Schreibtisch saß, hatten dazu geführt, daß er leicht kurzsichtig blinzelte und daß sich in seiner Stirn eine senkrechte Falte zwischen den Brauen
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