Malloreon 2 - König der Murgos
begrüßte Urgit sie. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
»Sehr gut, danke.« Sie musterte ihn. »Urgit, wo ist deine Krone?«
»Ich habe sie abgenommen. Sie verursacht mir Kopfschmerzen.«
»Setz sie sofort wieder auf!«
»Warum?«
»Urgit, du siehst nicht gerade wie ein König aus. Du bist kurz und dünn und hast ein Gesicht wie ein Wiesel. Murgos sind nicht sehr gescheit. Wenn du deine Krone nicht ständig trägst, vergessen sie vielleicht sogar, wer du bist. Also, setz sie auf!«
»Ja, Mutter.« Er hob sie auf und stülpte sie sich auf den Kopf. »Zufrieden?«
»Sie sitzt schief, Liebes«, sagte sie ruhigen Tons, der so vertraut klang, daß Garion Polgara verblüfft ansah. »Jetzt siehst du aus wie ein betrunkener Seemann.«
Urgit lachte und rückte seine Krone zurecht.
Garion betrachtete Ce'Nedra verstohlen, um nach Spuren des gestrigen Weinkrampfes zu suchen. Er bemerkte nichts, was darauf hindeuten mochte, daß ein weiterer bevorstand. Sie unterhielt sich im Flüsterton mit der Cthanprinzessin Prala. Es war nicht zu übersehen, daß die Murgosin bereits dem Charme der jungen Königin erlegen war.
»Und du, Urgit, hast du gut geschlafen?« erkundigte sich nun Lady Tamazin.
»Ich schlafe nie richtig, Mutter, das weißt du doch. Ich kam schon vor Jahren zur Überzeugung, daß nervös zu schlafen weit besser ist, als für immer zu schlafen.«
Garion wurde bewußt, daß er dabei war, seine Meinung zu ändern. Er hatte Murgos nie gemocht, hatte ihnen mißtraut, ja sie sogar gefürchtet. König Urgits Wesen war jedoch so unmurgosisch wie sein Aussehen. Er war lebhaft, von rascher Auffassungsgabe, und seine Stimmung wechselte von sardonischer Belustigung zu Niedergeschlagenheit so rasch, daß Garion nie wußte, was als nächstes von ihm zu erwarten war. Er war ganz offensichtlich kein Monarch, der sich durchzusetzen vermochte, und Garion war selbst bereits lange genug König, um zu erkennen, wo Urgit seine Fehler beging. Er stellte fest, daß er ihn gegen seinen Willen mochte, und er ihm leid tat, weil er sich mit einem Amt belasten mußte, für das er nicht geeignet war.
Dadurch ergab sich natürlich ein Problem. Garion wollte diesen Mann nicht mögen, und diese unerwünschte Sympathie erschien ihm völlig fehl am Platz. Er stand auf und ging zum hinteren Ende des kleinen Saales, um vorzutäuschen, daß er aus dem Fenster schaute, nur um nicht mehr Urbits geistreichem Humor ausgesetzt zu sein. Es drängte ihn danach, endlich an Bord des Schiffes zu sein, fort von dieser abscheulichen Stadt, die sich an die kahle Küste kauerte, und fort von diesem schwachen, verängstigten Mann, der gar kein so übler Bursche war, den er jedoch als Feind sehen sollte.
»Was bedrückt dich, Garion?« fragte Polgara, die ihm gefolgt war.
»Ungeduld, wahrscheinlich, Tante Pol. Ich will weiter!«
»Da bist du nicht der einzige, Liebes«, versicherte sie ihm. »Aber wir müssen hier noch einen Tag durchstehen.«
»Warum kann er uns nicht einfach in Ruhe lassen?«
»Wer?«
»Urgit. Ich bin nicht an seinen Problemen interessiert, also warum muß er herumsitzen und uns die ganze Zeit davon erzählen?«
»Weil er einsam ist, Garion.«
»Alle Könige sind einsam. Die Einsamkeit kommt mit der Krone. Die meisten von uns lernen jedoch, es zu ertragen. Wir weinen uns auch nicht an fremder Leute Schultern aus.«
»Das sind herzlose Worte, Garion«, rügte sie ihn. »Und sie sind deiner unwürdig!«
»Warum haben alle solches Mitleid mit einem schwachen König, der kluge Sprüche drischt?«
»Vielleicht, weil er der erste Murgo seit Äonen zu sein scheint, der menschliche Qualitäten aufweist. Und weil er so ist, ergibt sich die Möglichkeit, daß Alorner und Murgos eines Tages einen Weg finden, ihre Schwierigkeiten ohne Blutvergießen zu beheben.«
Garion starrte weiterhin aus dem Fenster, aber er spürte, wie Röte von seinem Nacken aufwärtsstieg. »Ich benehme mich kindisch, nicht wahr?« fragte er kleinlaut.
»Ich fürchte ja, Liebes. Es fällt dir offenbar schwer, über deine Vorurteile hinwegzukommen. Normalen Sterblichen Kann man das verzeihen, Königen nicht. Geh zurück, Garion, und beobachte ihn. Laß dir diese Gelegenheit nicht entgehen, ihn kennenzulernen. Vielleicht kommt die Zeit, da dir das von Nutzen sein wird.«
»Ist gut, Tante Pol.« Garion seufzte und straffte entschlossen die Schultern.
Es war fast Mittag, als Oskatat eintrat. »Eure Majestät«, meldete er mit seiner rasselnden Stimme:
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