Malloreon 2 - König der Murgos
Murgos machten ihrem König auf den engen Straßen Platz. Einige verbeugten sich, andere blieben jedoch aufrecht und mit unbewegten Gesichtern stehen.
Sie ritten über einen Platz und dann die gepflasterte Straße entlang, die zum Tempel führte. »Hauptmann«, rief Urgit dem Offizier an der Spitze zu, »laßt einen Eurer Männer anhalten und dem Hierarchen Bescheid geben, daß wir bereits unterwegs sind. Er hat jemanden im Tempel, den er mitschicken möchte.«
»Wie Eure Majestät befehlen«, antwortete der Offizier.
Die Kopfsteinpflasterstraße bog um eine Ecke, und nun konnten sie den Hafen sehen. Er lag in einer geschützten Bucht hinter der Landzunge an der schmalen Mündung des Golfs von Urga und sah von hier wie übersät aus mit den schwarzgestrichenen Murgoschiffen. Der vertraute Geruch des Zusammentreffens von See und Land, eine Mischung aus Salzwasser, Seetang und toten Fischen, stieg Garion in die Nase, und vor Erwartung, bald wieder auf See zu sein, raste sein Blut durch die Adern.
Das schwarze Schiff, das vertäut an einem steinernen Pier lag, war größer als die meisten anderen im Hafen. Es war eine gedrungene Schute mit ausladendem Bug, leicht schrägen Masten und geteerten Planken. Silk beäugte sie mißtrauisch. »Nennt ihr so was tatsächlich Schiff?« fragte er seinen Bruder.
»Ich habe euch über murgosische Schiffe nichts vorgemacht.«
Wegen der Pferde gab es eine kleine Unstimmigkeit, als sie das Schiff erreichten. »Kommt überhaupt nicht in Frage, Eure Majestät!« sagte der Kapitän, ein riesiger, finsterer Mann, unerbittlich. »Ich nehme keine Tiere an Bord!« Er schaute mit überheblicher Miene auf seinen König hinab.
Urgit machte ein bestürztes Gesicht.
»Ich würde sagen, es ist wieder mal Zeit für königliche Bestimmtheit«, flüsterte Silk ihm zu.
Urgit blinzelte, dann straffte er die Schultern. Er wandte sich erneut an den hünenhaften Kapitän. »Schafft diese Pferde auf das Schiff, Kapitän!« wiederholte er seinen Befehl mit schärferer Stimme.
»Ich sagte Euch doch gerade, daß ich keine…«
»Redete ich etwa zu schnell für Euch? Dann paßt jetzt gefälligst genau auf: Schafft-die-Pferde-auf-das-Schiff! Wenn Ihr meine Anweisungen nicht genau durchführt, lasse ich Euch als Galionsfigur an den Bug des Schiffes nageln!«
Der Kapitän wich einen Schritt zurück. Arroganz wich Zweifel, dann Angst. »Eure Majestät…«
»Gehorcht, Käpten!« donnerte Urgit. »Sofort!«
Der Kapitän schlug die Hacken zusammen und salutierte, dann wandte er sich an die Mannschaft. »Ihr habt gehört, was der König befohlen hat«, grollte er. »Ladet die Pferde an Bord.« Vor sich hinmurmelnd stapfte er davon.
»Siehst du«, sagte Silk. »Es fällt dir von Mal zu Mal leichter. Du mußt nur immer daran denken, daß niemand deine Befehle in Frage stellen darf.«
»Weißt du«, sagte Urgit mit etwas angespanntem Lächeln, »ich könnte tatsächlich daran Gefallen finden.«
Die Seeleute machten sich daran, die nervösen Pferde die schmale Gangway hochzuschieben und dann eine ziemlich steile Rampe hinunter in den Laderaum. Sie hatten etwa die Hälfte der Tiere an Bord, als Garion dumpfen Trommelschlag von der kaum gassenbreiten Kopfsteinpflasterstraße hörte, die zu ihrem Pier führte. Eine Doppelreihe schwarzgewandete Grolims in polierten Stahlmasken marschierte den Hang herunter auf das Wasser zu. Sie bewegten sich mit dem gleichen, eigenartig schaukelnden Gang, der Garion im Tempel aufgefallen war. Belgarath faßte Urgit am Ärmel und zog ihn außer Hörweite seiner Gardisten und der beschäftigten Seeleute. »Wir brauchen hier keine weiteren Überraschungen, Urgit«, sagte er fest. »Also seht zu, daß Ihr die Formalitäten mit Agachak so rasch wie möglich hinter Euch bringt. Sagt ihm, Ihr reist nach Rak Cthaga, um persönlich den Befehl über die Verteidigung der Stadt zu übernehmen. Laßt Euren Dagash an Bord kommen und dann sofort in See stechen.«
»Ich habe in dieser Sache wohl gar keine Wahl?« fragte Urgit unglücklich.
»Nein«, antwortete Belgarath.
Der ausgemergelte Agachak saß in einer von zwölf Grolims getragenen Sänfte. Neben ihr schritt hocherhobenen Hauptes die narbengesichtige Priesterin Chabat. Ihre Augen waren rot und geschwollen, und ihr Gesicht war erschreckend bleich. Sie warf Sadi einen Blick voll unerbittlichen Hasses zu.
Agachaks Sänfte folgte eine vermummte Gestalt, die sich nicht mit dem steifbeinigen, schaukelnden Gang bewegte wie die Grolims
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