Malloreon 2 - König der Murgos
und nicht vor Euch.«
»Dann seid Ihr eine Torin – in beiden Fällen!«
»Ihr fordert mich heraus?«
»Wenn es sein muß. Wollt Ihr Euch mir unter meinen Bedingungen stellen, Chabat?« Polgaras blaue Augen glitzerten plötzlich wie Eis, und die weiße Strähne über ihrer Stirn flammte, während sie ihre Willenskraft sammelte. Aufs neue hob sie die Hand, und die bleigrauen Wellen stiegen gehorsam wieder bis zum Pier an. Mit derselben erschreckenden Ruhe trat sie hinaus auf die Wasserfläche und stand da, als befände sich unter ihr fester Boden. Ein Stöhnen ging von den Grolims aus, als sie sich zu der erschrockenen Priesterin umdrehte. »Nun, Chabat«, fragte sie, »kommt Ihr heraus zu mir? Seid Ihr dazu imstande?«
Chabats narbiges Gesicht wurde aschfahl, doch ihre Augen verrieten deutlich, daß sie Polgaras Herausforderung annehmen wollte. »Ja«, knirschte sie. Dann trat auch sie vom Pier, doch sie schlug verängstigt um sich und versank bis zu den Knien im schmutzigen Hafenwasser.
»Ist es denn so schwierig für Euch?« fragte Polgara sie. »Wenn diese Kleinigkeit bereits Eurer ganzen Willenskraft bedarf, wie bildet Ihr Euch da ein, genug Kraft zu haben, einen Dämon zu beherrschen? Gebt diesen verzweifelten Plan auf, Chabat, noch könnt Ihr Euer Leben retten.«
»Das würde Euch so passen!« kreischte Chabat, und Geiferschaum benetzte ihre Lippen. Mit ungeheuerlicher Anstrengung hob sie sich aus dem Wasser, bis sie auf der Oberfläche stand und mühsam ein paar Schritte darauf tat. Dann verzerrte ihr Gesicht sich wieder in überwältigendem Triumph, und noch einmal zeichnete sie die Symbole, diesmal auf das Wasser, und sie glühten in rußigem Orange. Erneut rief sie die Beschwörungsformel mit auf- und abschwellender Stimme. Die roten Narben auf ihren Wangen schienen zu verblassen und brannten mit einemmal in weißem Licht, während sie mit dem Singsang der Beschwörung fortfuhr.
»Kheldar, was geht hier vor?« fragte Urgit schrill, ohne den Blick von dem Unglaublichen zu lassen, das sich vor seinen Augen tat.
»Etwas sehr Unerfreuliches«, antwortete Silk.
Chabats Stimme hatte sich zum Kreischen erhoben. Plötzlich brodelte das Wasser im Hafen vor ihr, Dampf und Feuer stiegen auf.
Aus der Mitte dieser Flammen erwuchs etwas über alle Maßen Gräßliches. Es war ungeheuerlich und hatte Klauen und Fangzähne, doch das Erschreckendste an ihm waren seine rotglühenden Augen.
»Töte sie!« schrillte Chabat. Sie deutete mit zitternder Hand auf Polgara. »Ich befehle dir, diese Hexe zu töten!«
Der Dämon blickte die Priesterin an, die sicher in dem flammenden Kreis ihrer Schutzzeichen stand, dann, während das brodelnde Wasser noch gegen seinen gewaltigen Leib brandete, drehte er sich um und näherte sich Polgara.
Ruhig hob Polgara die Hand. »Halt!« befahl sie, und Garion spürte die ungeheure Kraft ihres Willens.
Der Dämon hob voll verzweifelter Qual die Schnauze mit den scharfen Zähnen zu den grauen Wolken und heulte auf.
»Du sollst sie töten!« kreischte Chabat.
Das Ungeheuer sank langsam ins Wasser und streckte seine beiden riesigen Arme unmittelbar unter der Oberfläche aus. Er fing an sich zunächst langsam, dann immer schneller wie ein Kreisel in dem brodelnden Wasser zu drehen. Ein Strudel bildete sich um ihn, während er wirbelte, ein plötzlicher Mahlstrom, fast so erschreckend wie jener der Enge von Cherek.
Nun jubelte Chabat, sie tanzte auf dem Wasser und machte obszöne Luftsprünge, ohne zu bemerken, daß die Flammen, mit denen sie ihre Symbole und den Schutzkreis gezogen hatte, durch den Strudel davongeschwemmt wurden.
Als das wirbelnde Wasser die Stelle erreichte, wo Polgara stand, wurde sie allmählich auf den tödlichen Mahlstrom zugezogen, in dessen Mitte der geifernde Dämon immer noch wirbelte.
»Pol!« brüllte Durnik. »Paß auf!«
Doch es war bereits zu spät. Von dem unwiderstehlichen Strudel erfaßt, wurde sie herumgewirbelt, langsam zunächst, dann immer schneller in langen Spiralen auf den Mittelpunkt zu. Doch als sie sich ihm näherte, hob sie aufs neue die Hand und verschwand mit einemmal unter der wallenden Oberfläche.
»Pol!« brüllte Durnik erneut. Sein Gesicht war totenbleich. Er rannte auf den Rand des Piers zu, und im Laufen versuchte er aus seinem Wams zu schlüpfen. Grimmigen Gesichts aber faßte Belgarath ihn am Arm. »Halt dich da raus, Durnik!« befahl er mit peitschender Stimme.
Durnik versuchte sich von ihm zu befreien. »Laß mich los!«
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