Malloreon 2 - König der Murgos
ihm eine Botschaft zu übermitteln.«
»Und was ist diese Botschaft?«
»Ah – verzeiht, heilige Priesterin, aber mir wurde gesagt, sie sei nur für Agachaks Ohr bestimmt.«
»Ich bin Agachaks Ohr!« sagte sie mit erschreckend ruhiger Stimme. »Nichts dringt an sein Ohr, ehe ich es nicht gehört habe.« Ihr Ton war es, der sie verriet, jedenfalls verstand Garion jetzt. Obgleich diese Frau mit den grausamen Narben hier irgendwie zu einer Machtposition aufgestiegen war, war sie in dieser Macht noch unsicher. Und diese Unsicherheit trug sie wie eine offene Wunde. Deshalb weckte der geringste Zweifel an ihre Befugnisse einen ungeheuren Haß auf den, der ihn an deutete. Er hoffte inbrünstig, daß Sadi erkannte, wie ungeheuerlich gefährlich sie war.
»Ah!« sagte Sadi mit betonter Selbstsicherheit. »Ich war mir der Situation hier nicht bewußt. Man sagte mir, daß Jaharb, Agachak und König Urgit Grund haben zu wünschen, ein gewisser Kabach käme unbeschadet in Rak Hagga an. Ich bin derjenige, der ihn dorthin bringen soll.«
Sie kniff die Augen mißtrauisch zusammen. »Das ist gewiß nicht die ganze Botschaft«, beschuldigte sie ihn.
»Ich fürchte doch, edle Priesterin. Ich nehme an, daß Agachak die Bedeutung versteht.«
»Sonst sagte Jaharb Euch nichts?«
»Nur noch, daß sich dieser Kabach hier im Tempel unter Agachaks Schutz befindet.«
»Unmöglich!« rief sie heftig. »Wenn er hier wäre, würde ich es wissen. Agachak hat keine Geheimnisse vor mir!«
Sadi spreizte die Hände in einer besänftigenden Geste. »Ich kann leider nur wiederholen, was Jaharb mir auftrug, heilige Priesterin.«
Sie kaute an einem Fingerknöchel, und ihre Augen verrieten plötzlichen Zweifel. »Wenn Ihr mich belügt, Ussa – oder versucht, mir etwas zu verheimlichen – , lasse ich Euch das Herz herausreißen!«
»Es ist die vollständige Botschaft, heilige Priesterin. Darf ich sie jetzt Eurem Hierarchen übermitteln?«
»Der Hierarch ist im Drojimpalast bei einer Besprechung mit dem König. Er wird vermutlich nicht vor Mitternacht zurückkehren.«
»Könnte ich mit meinen Dienern irgendwo auf ihn warten?«
»Ich bin noch nicht fertig mit Euch, Ussa von Sthiss Tor. Was soll dieser Kabach in Rak Hagga tun?«
»Jaharb fand nicht, daß ich das wissen müßte.«
»Ich glaube, Ihr belügt mich, Ussa.« Ihre Fingernägel trommelten nervös auf die Tischplatte.
»Dazu habe ich keinen Grund, heilige Chabat.«
»Agachak hätte mit mir darüber gesprochen. Er verheimlicht mir nichts – gar nichts!«
»Vielleicht dachte er nicht daran. Es ist möglicherweise von keiner großen Bedeutung.«
Sie ließ nun den Blick über die anderen schweifen, plötzlich verdunkelten sich ihre Augen. Kalt blickte sie auf den immer noch zitternden Grolim. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Wispern, als sie sagte: »Wie kommt es, daß der dort mit einem Schwert bewaffnet vor mich treten durfte?« Sie deutete auf Garion.
Das Gesicht des Unterpriesters wurde fahl. »Verzeiht mir, heilige Chabat. Ich – ich habe das Schwert nicht bemerkt.«
»Nicht bemerkt? Wie kann man eine so große Waffe übersehen? Könnt Ihr mir das erklären?«
Der Grolim zitterte noch heftiger.
»Ist dieses Schwert etwa unsichtbar? Oder bedeutet Euch vielleicht meine Sicherheit nichts?« Ihr narbiges Gesicht wurde noch grausamer. »Oder könnte es gar sein, daß Ihr mir übel gesinnt seid und gehofft habt, dieser Fremde würde mich vielleicht töten?«
Des Grolims Gesicht wurde noch fahler.
»Ich glaube, ich sollte Agachak nach seiner Rückkehr darauf aufmerksam machen. Er wird zweifellos mit Euch über dieses unsichtbare Schwert sprechen wollen – eingehend .«
Die Tür öffnete sich und ein ausgemergelter Grolim trat ein. Auch er trug ein schwarzes Gewand, doch mit grün gefütterter Kapuze, die er zurückgeschlagen hatte. Sein schwarzes Haar hing in fettigen Strähnen bis zur Schulter. Er hatte die vorquellenden Augen eines Fanatikers, und der saure Geruch eines lange nicht mehr gewaschenen Körpers ging von ihm aus. »Es ist gleich soweit, Chabat«, meldete er mit schriller Stimme.
Chabats schwelende Augen wurden weicher, als sie ihn anblickte. »Danke, Sorchak.« Sie senkte die Wimpern auf merkwürdig kokette Weise. Nunmehr erhob sie sich, öffnete eine Tischlade und holte ein schwarzes Lederetui heraus, aus dem sie fast zärtlich ein langes, glänzendes Messer nahm. Dann blickte sie den Grolimpriester an, den sie getadelt hatte. »Ich begebe mich jetzt ins
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