Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
die ganze Stadt nach Euch abgelaufen.« »Vicomte Esca.« Silk verbeugte sich.
»Meine Kollegen und ich sind voll Bewunderung für Eure kürzliche Spekulation im Termingeschäft«, sagte Esca.
Silks Augen wurden listig, und seine lange Nase zuckte, doch er setzte rasch eine gequälte Miene auf. »Das war ein Fehler, mein teurer Vicomte«, sagte er düster. »Mit platzraubender Ware wie landwirtschaftlichen Produkten ist wenig Gewinn zu machen.«
»Ihr seid doch mit den Kurswerten auf dem laufenden?« Esca bemühte sich um eine gleichmütige Miene, doch seine Augen konnten die Habgier nicht verbergen.
»Nein«, log Silk. »Ich war im Hinterland und hatte noch keine Gelegenheit, mit meinem Faktor zu sprechen. Ich ließ ihm jedoch ausrichten, das erstbeste Angebot anzunehmen – selbst wenn wir draufzahlen. Ich brauche meine Lagerhäuser, und sie sind alle bis unters Dach mit Bohnen gefüllt.«
»Nun«, murmelte Esca und rieb die Hände, »ich werde mit meinen Kollegen sprechen. Vielleicht können wir Euch ein bescheidenes Angebot machen.« Er fing bereits zu schwitzen an.
»Nein, das könnte ich nicht zulassen, Esca. Meine Lagerbestände sind nahezu wertlos. Wollen wir nicht lieber einen Fremden den Verlust tragen lassen? Einem Freund kann ich das wirklich nicht zumuten.«
»Aber mein teurer Fürst Kheldar«, entgegnete Esca fast verzweifelten Tones. »Wir würden ja auch nicht erwarten, einen riesigen Gewinn zu machen. Unser Kauf wäre mehr eine Spekulation auf längere Sicht.« »Nun«, sagte Silk zweifelnd, »solange Ihr Euch des Risikos voll bewußt seid…«
»Das sind wir, das sind wir«, versicherte ihm Esca eifrig.
Silk seufzte. »Na gut. Verhandelt mit Vetter. Ich bin sicher, daß Ihr meine Zwangslage nicht ausnutzen werdet.«
»Ganz gewiß nicht, Fürst Kheldar.« Esca verbeugte sich hastig. »Ich muß leider weiter. Dringende Geschäfte, Ihr versteht doch.« »Oh«, sagte Silk. »Selbstverständlich.« Esca watschelte mit unziemlicher Eile davon.
»Der hat angebissen!« Silk grinste. »Jetzt lasse ich ihn von Vetter an Land ziehen.«
»Denkst du nie an irgendetwas anderes?« fragte Garion.
»Aber ja. Doch wir haben es eilig und keine Zeit, uns den ganzen Vormittag sein Geschwafel anzuhören. Sehen wir zu, daß wir weiterkommen.«
Ein Gedanke kam Garion. »Was ist, wenn Zandramas einen Bogen um die Stadt gemacht hat?«
»Dann holen wir unsere Pferde und nehmen uns die Küste vor. Irgendwo muß sie ja an Land gegangen sein.«
Am Nordtor von Melcene wurde der Betrieb auf der Straße stärker. Der Kutschen- und Reiterverkehr nahm zu, und die üblicherweise bedächtigen Bürger gingen schneller. Garion und Silk fanden es nötig, sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen. »Und?« fragte Silk.
»Noch nichts.« Erneut umklammerte Garion das Auge fester. Als sie an einer Seitenstraße vorbeigingen, spürte er den vertrauten Zug. »Sie war hier!« sagte er. »Sie kam aus dieser Straße – oder begab sich hinein. So genau kann ich es noch nicht erkennen.« Er machte ein paar Schritte in die Seitenstraße. Da versuchte das Auge, ihn zurückzuziehen. Er drehte sich um und kehrte zu seinem rattengesichtigen Freund zurück. Der gleichmäßige Zug des Steines führte zum Nordtor.
»Sie hat die Stadt durch dieses Tor verlassen«, sagte er, als sie es erreichten.
»Gut.« Silk nickte. »Kehren wir um und holen die anderen. Und dann werden wir sehen, ob wir herausfinden können, warum Zandramas nach Melcena gekommen ist.«
5
E s sah ganz so aus, als hätte Garion seine Ungeduld auf Chretienne übertragen. Der große Hengst tänzelte, als sie Silks Besitz verließen, und zuckte gereizt mit den Ohren, sobald Garion ihn auf der Straße zu zügeln versuchte. Selbst das Klappern seiner Hufeisen auf dem Kopfsteinpflaster hörte sich ungeduldig an. Als Garion sich vorlehnte, um beruhigend die Hand auf den grauen Nacken zu legen, spürte er das nervöse Zittern der Muskeln unter dem glatten Fell. »Ich weiß«, sagte er zu dem Tier. »Mir geht es nicht anders, aber wir müssen warten, bis wir außerhalb der Stadt sind, ehe wir lospreschen können.«
Chretienne schnaubte und stieß dann ein klagendes Wiehern aus. »Es ist bald soweit«, versicherte ihm Garion.
Sie ritten hintereinander durch die nun belebten Straßen, mit Silk an der Spitze. Der leichte Wind, der ihnen entgegenwehte, trug den Geruch nach Herbst mit sich.
»Was sind das für Gebäude da drüben?« rief Eriond Silk zu. Der blonde junge Mann
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