Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
»Habt Ihr einen Titel?« fragte die Erzherzogin Beldin.
»Mehrere, mein kleiner Liebling«, antwortete er gleichmütig, »doch keine aus irgendeinem Land, dessen Namen Ihr kennen würdet – die meisten davon gibt es sogar längst nicht mehr.« Wieder hob er das Faß und trank genußvoll.
»Was seid Ihr doch für ein lieber kleiner Mann«, sagte sie mit schmachtender Stimme.
»Das macht mein Charme, Liebling«, antwortete er mit resigniertem Seufzen. »War immer schon mein Verderb, dieser unwiderstehliche Charme. Manchmal muß ich mich regelrecht verstecken, um mir die Maiden vom Leib zu halten, die kopflose Leidenschaft zu mir überwältigte.« Erneut seufzte er, dann rülpste er.
»Darüber sollten wir uns zu einem anderen Zeitpunkt näher unterhalten«, schlug sie vor.
Silk war jetzt offenbar ratlos. »Ah…«, murmelte er. »Wie ich schon sagte, bedauern wir, daß wir den Erzherzog verfehlt haben.«
»Es ist mir unbegreiflich, wieso Ihr das bedauern könnt, Eure Hoheit«, sagte die Erzherzogin unverblümt. »Mein Gemahl ist ein ausgesprochener Esel, und er badet auch nicht regelmäßig. Er macht sich wilde Hoffnungen auf den Kaiserthron, ohne selbst auch nur das geringste zu unternehmen.«
Sie streckte Beldin ihren Krug entgegen. »Seid so nett, mein Lieber.« Er blinzelte in das Faß. »Könnte leicht sein, daß wir noch eines brauchen, mein Liebling«, meinte er.
»Ich habe einen ganzen Keller voll davon!« rief sie glücklich. »Wir können tagelang so weitermachen, wenn Ihr möchtet.«
Belgarath und Beldin wechselten einen langen Blick. »Wag es ja nicht!« warnte Belgarath. »Aber…« »Vergiß es!«
»Ihr habt gesagt, daß Euer Gemahl Ambitionen auf den Thron hat, Eure Hoheit«, spornte Silk sie an.
»Könnt Ihr Euch diesen Trottel als Kaiser von Mallorea vorstellen?« fragte sie abfällig. »Er schafft es gewöhnlich nicht einmal, mit dem Fuß in den richtigen Schuh zu schlüpfen. Glücklicherweise steht er weit unten in der Thronfolge.«
Da erinnerte sich Garion plötzlich an etwas. »Hat irgend jemand je etwas zu ihm gesagt, was seine Ambitionen anspornte?« fragte er. »Ich ganz bestimmt nicht!« versicherte sie ihm. Doch dann starrte sie nachdenklich auf die Wand. »Doch nun, da Ihr es erwähnt… Vor ein paar Jahren kam ein Mann zu ihm – ein Kerl mit weißen Augen! Habt Ihr je jemanden mit solchen Augen gesehen? Das Blut stockt einem bei seinem Anblick. Jedenfalls zog mein Gemahl sich mit ihm ins Studiergemach zurück. Studiergemach! Ich glaube nicht einmal, daß mein Idiot von Gemahl auch nur lesen kann. Er kann ja kaum richtig reden, aber er muß diese Kammer Studiergemach nennen! Ist das nicht absurd? Nun, das trug sich jedenfalls zu einer Zeit zu, als ich mich noch interessierte, was der Tölpel machte. Ein Diener hatte ein Loch durch die Wand gebohrt, damit ich sehen – und hören – konnte, was der Narr vorhatte.« Ihre Unterlippe fing zu zittern an. »Bald darauf sah ich ihn darin mit der Kammermagd.« Sie schwang dramatisch die Arme, wodurch sie versehentlich Bier auf Beldin schüttete. »Betrogen!« rief sie. »In meinem eigenen Haus!«
»Worüber unterhielten sie sich?« fragte Garion sie behutsam. »Euer Gemahl und der Mann mit den weißen Augen, meine ich?«
»Der Weißäugige sagte meinem Gemahl, daß jemand namens Zandramas ihm den Thron garantieren könnte. Irgendwie kommt mir dieser Name bekannt vor. Hat jemand von euch ihn schon einmal gehört?« Sie blickte alle der Reihe nach an.
»Ich kann mich nicht entsinnen«, log Silk. »Habt Ihr diesen Weißäugigen je wiedergesehen?«
Die Erzherzogin war angestrengt damit beschäftigt, die letzten Tropfen Bier aus dem Faß zu schöpfen. »Wie bitte?«
»Den Weißäugigen«, sagte Belgarath ungeduldig. »Ist er je wiedergekommen?«
»Natürlich.« Die Erzherzogin lehnte sich zurück und leerte genießerisch ihren Krug. »Er war erst vor ein paar Tagen da. Er kam mit einer schwarzvermummten Frau und einem kleinen Jungen.« Sie rülpste leicht. »Könntet Ihr ein bißchen an der Klingelschnur da drüben ziehen, mein kleiner krummer Freund?« bat sie Beldin. »Ich glaube, wir haben das Faß geleert, aber ich habe immer noch Durst.«
»Ich kümmere mich sofort darum, mein Liebling.« Der Bucklige stapfte zum Glockenzug.
»Es ist so schön, Freunde um sich zu haben«, sagte die Erzherzogin verträumt. Da sackte ihr Kopf auf die Brust, und sie begann zu schnarchen. »Weck sie auf, Pol«, wies Belgarath seine Tochter an.
Weitere Kostenlose Bücher