Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
»Ja, Vater.«
Es war nur eine ganz leichte Gedankenberührung, doch die beschwipste Edelfrau riß sofort die Augen auf. »Wo war ich gleich?« fragte sie. »Ah – Ihr habt vom kürzlichen Besuch des Weißäugigen erzählt, Eure Hoheit«, half ihr Silk.
»O ja. Er kam bei Einbruch der Dämmerung an – er und diese alte Vettel im schwarzen Satin.« »Alte Vettel?« fragte Silk.
»Sie muß eine Vettel gewesen sein, denn sie gab sich viel Mühe, ihr Gesicht vermummt zu halten. Aber der kleine Junge war herzig – rotblonde Locken und die blauesten Augen, die ihr je gesehen habt. Ich ließ ihm Milch bringen, denn er war hungrig. Jedenfalls, der Weißäugige und die Vettel gingen mit meinem Gemahl weg, und dann nahmen sie sich Pferde und ritten davon. Der Frosch, mein Gemahl, sagte mir, daß er eine Weile wegbleiben würde und daß ich inzwischen nach meiner Schneiderin rufen solle – er murmelte irgendwas von einem passenden Gewand für eine Krönung. Was er genau sagte, habe ich vergessen.«
»Was ist aus dem kleinen Jungen geworden?« erkundigte sich Ce'Nedra angespannt.
Die Erzherzogin zuckte die Schultern. »Soviel ich weiß, haben sie ihn mitgenommen.« Sie seufzte. »Ich bin plötzlich so schläfrig.«
»Hat Euer Gemahl erwähnt, wohin sie wollten?« fragte Silk sie.
Sie zuckte die Schultern. »Ich höre ihm schon seit Jahren nicht mehr zu«, antwortete sie. »Wir haben eine kleine Jacht in einer Bucht etwa eine Meile von hier. Sie ist nicht mehr dort. Also nehme ich an, daß sie damit gefahren sind. Mein Gemahl sagte irgendetwas über einen Firmenpier in der Stadt.« Sie schaute sich um. »Hat man das zweite Bierfaß schon gebracht?«
»Es müßte jeden Augenblick hier sein, mein kleiner Liebling«, versicherte ihr Beldin sanft. »Oh, gut.«
»Wollt Ihr sonst noch etwas wissen?« fragte Silk Belgarath leise.
»Ich glaube nicht.« Der alte Mann wandte sich an seine Tochter. »Sorg dafür, daß sie einschläft, Pol.«
»Nicht nötig, Vater«, versicherte sie ihm. Fast traurig blickte sie auf die üppige Edelfrau, die die Arme wieder um Beldins Hals geschlungen und das Gesicht in seine Schulter vergraben hatte und leise schnarchte. Vorsichtig löste der Bucklige ihre Arme und legte die Erzherzogin behutsam auf den Diwan. Dann holte er eine Decke von einem anderen Diwan und breitete sie über sie. »Schlaft gut, meine Lady«, murmelte er, und auch er blickte ein wenig traurig auf sie, während er ihr sanft übers Haar strich. Dann drehte er sich herausfordernd zu Belgarath um und funkelte ihn an. »Na?« »Ich habe nichts gesagt«, versicherte ihm Belgarath.
Wortlos stand Ce'Nedra auf, ging zu dem häßlichen kleinen Mann, umarmte ihn und küßte ihn auf die Wange. »Was bedeutet das?« fragte er argwöhnisch.
»Ich habe auch nichts gesagt«, antwortete sie. Sie zupfte abwesend ein paar Strohstückchen aus seinem Bart und gab sie ihm.
6
K aum kamen sie aus dem Haus, schwang sich Garion auf Chretienne.
»Was hast du vor?« fragte ihn Silk.
»Ich will auf der Fährte bleiben«, antwortete Garion.
»Wieso? Sie wird ja doch nur zu der Bucht hinunterführen, von der die Dame sprach, und sich dann wieder auf dem Meer verlieren.« Garion blickte ihn hilflos an.
»Ich würde sagen, das beste ist, wir kehren so rasch wie möglich nach Melcene zurück. Eine Menge Leute arbeiten dort für mich. Sie sollen Nachforschungen im Hafen anstellen – so, wie wir es in Jarot machten. Es dürfte nicht schwierig sein, Naradas zu folgen.«
»Warum soll ich nicht das Auge nehmen und selbst zu den Piers gehen?« protestierte Garion.
»Weil du so nur herausfinden könntest, von welchem Pier sie abgefahren ist. Wir brauchen aber mehr als das.« Silk blickte seinen Freund mitfühlend an. »Ich verstehe, daß du ungeduldig bist, Garion – das sind wir alle – , aber auf meine Weise geht es schneller. Meine Leute können feststellen, wann Zandramas in See stach und wohin sie fuhr. Und das ist, was wir wirklich wissen müssen.« »Dann wollen wir losreiten«, sagte Belgarath.
Sie saßen rasch auf und ritten im Kanter zurück zur Straße und dann im Galopp nach Melcene.
Mittag erreichten sie das Nordtor, und kurz darauf saßen sie vor Silks Haus ab. Sie betraten es und stiegen die Treppe hoch zum Wohngemach. »Würdet Ihr Vetter bitten, zu mir zu kommen?« rief Silk einem vorbeieilenden Diener zu, als sie das Gemach betraten. »Sofort, Eure Hoheit.«
»Ich schlage vor, wir packen wieder«, sagte Silk und schlüpfte aus
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