Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
höflich zu sein. Höflichkeit war nicht Agachaks starke Seite. Er zog Befehle vor, denen er mit Androhung schrecklicher Strafe Nachdruck verleihen konnte. Aber eine sorgfältige Einschätzung von Nathels Wesen hatte ihn überzeugt, daß den jungen Thull eine Drohung oder ein Ultimatum auf der Stelle zusammenbrechen ließe. Darum sah sich Agachak dazu gezwungen, sich auf Bitten und seine Überredungskunst zu verlassen. »Eure Majestät, die Prophezeiung besagt ausdrücklich«, versuchte er es aufs neue, »daß der König, der mich zu dem Ort der Begegnung begleitet, Oberkönig aller Angarakaner werden wird.«
»Bedeutet das, daß ich auch Cthol Murgos und Gar og Nadrak bekomme?« Ein schwaches Glimmen erwachte in Nathels stumpfen Augen. »Selbstverständlich, Eure Majestät«, versicherte ihm Agachak. »Außerdem auch noch Mallorea.«
»Wird das denn nicht Kal Zakath gegen mich aufbringen? Das möchte ich nicht. Er ließ meinen Vater einmal auspeitschen, habt Ihr das gewußt? Er wollte ihn eigentlich kreuzigen, aber es gab nirgendwo in der Nähe Bäume.«
»Ja, das hörte ich. Aber Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen. Zakath wird Euch huldigen müssen.«
»Zakath mir huldigen?« Nathel lachte. Es war ein erschreckend geistloser Laut.
»Er hätte keine andere Wahl, Eure Majestät. Denn weigerte er sich, würde ihn der Neue Gott an Ort und Stelle in seine Atome zerschmettern.« »Was sind Atome?«
Agachak knirschte mit den Zähnen. »Winzige Teilchen, Eure Majestät«, erklärte er.
»Ich hätte nichts dagegen, wenn Urgit und Drosta mir huldigen müßten«, gestand Nathel. »Aber Zakath – ich weiß nicht recht. Urgit und Drosta halten sich für so gescheit, daß ich sie gern ganz klein sehen möchte. Aber Zakath – nein, ich weiß wirklich nicht.« Seine Augen leuchteten wieder auf. »Das würde bedeuten, daß das ganze Gold von Cthol Murgos und Gar og Nadrak mir gehört, nicht wahr? Und sie müßten es sogar für mich aus der Erde graben, nicht wahr?« Seine Krone rutschte wieder über die Augen, er legte den Kopf zurück, damit er unter ihrem Rand hervorspähen konnte.
»Ihr würdet auch das ganze Gold von Mallorea bekommen, sowie seine Edelsteine und die Seide und die Teppiche – sogar einen eigenen Elefanten, auf dem Ihr reiten könnt.« »Was ist ein Elefant?« »Ein sehr großes Tier, Eure Majestät.« »Noch größer als ein Pferd?«
»Viel größer. Außerdem würdet Ihr auch Tolnedra bekommen, und Ihr wißt ja, wie reich das ist. Ihr würdet zum König der Welt!«
»Auch größer als ein Ochse? Ich habe schon furchtbar große Ochsen gesehen.« »Zehnmal so groß!« Nathel lächelte glücklich. »Ich wette, da würden die Leute zu mir aufblicken.« »Ohne Zweifel, Eure Majestät.« »Was war das wieder, was ich tun muß?«
»Ihr braucht mich nur zu dem Ort, der nicht mehr ist, begleiten.«
»Das ist das, was ich nicht verstehen kann. Wie können wir ihn aufsuchen, wenn er nicht mehr da ist?«
»Das wird die Prophezeiung uns im richtigen Moment verraten.« »Oh! Habt Ihr eine Ahnung, wo er ist?«
»Die Hinweise, die ich bisher bekommen habe, deuten auf Mallorea.«
Nathel machte plötzlich ein langes Gesicht. »Oh, das ist wirklich sehr schade«, sagte er verdrießlich. »Ich fürchte, ich verstehe nicht…«
»Ich würde wirklich gern mit Euch kommen, Agachak. Ehrlich – schon wegen all dem Gold und den Teppichen und Seiden und dem anderen Zeug. Und es wäre schön, wenn mir Urgit und Drosta, ja vielleicht sogar Zakath huldigen müßten, aber es geht nicht.« »Ich verstehe wirklich nicht. Wieso denn nicht?«
»Ich darf nicht von zu Hause fort. Meine Mutter würde mich ganz fürchterlich bestrafen, wenn ich wegginge. Ihr wißt doch, wie es ist. Nicht einmal dran denken darf ich an eine so weite Reise wie nach Mallorea.« »Aber Ihr seid der König!«
»Das ändert nichts an der Sache. Ich folge Mutter trotzdem. Sie erzählt allen, daß ich ihr guter Junge bin.«
Agachak kämpfte gegen den starken Drang an, diesen Schwachkopf in eine Kröte oder eine Qualle zu verwandeln.
»Wie wäre es, wenn ich mit Eurer Mutter spreche?« schlug er vor. »Ich bin sicher, ich kann sie überzeugen, daß sie Euch ihre Erlaubnis gibt.« »Das ist eine wirklich großartige Idee, Agachak! Wenn Mutter sagt, daß ich darf, komme ich mit wie der Blitz.« »Gut«, sagte Agachak und drehte sich um.
»Oh, Agachak?« Nathels Stimme klang nachdenklich. »Ja?« »Was ist eine Prophezeiung?«
Sie hatten sich in
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