Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
ließ sich müde in einen Sessel fallen. »Drosta befahl seinen Wächtern, mich nicht mehr in die Kneipe zu lassen.« Er musterte Vella. »Du siehst ein bißchen bleich aus«, stellte er fest. »Hast du gestern zuviel getrunken?«
»Ich trinke so gut wie gar nicht mehr«, antwortete sie.
»Wußte ich's doch, daß es ein Fehler war, dich hier in Boktor zu lassen«, sagte er düster. »Porenn hat einen schlechten Einfluß auf dich. Bist du immer noch sauer auf mich?«
»Ich glaube nicht. Es ist ja nicht wirklich deine Schuld, daß du dumm bist.«
»O danke.« Er betrachtete sie abschätzend. »Das Gewand gefällt mir. So siehst du zur Abwechslung wenigstens mal wie eine Frau aus.«
»Hast du an der Tatsache je gezweifelt, Yarblek?« fragte sie ihn herausfordernd.
Adiss, der Obereunuche im Palast der Unsterblichen Salmissra, wurde schon früh am Morgen zu ihr gerufen, und er folgte dem Befehl nun zitternd und zagend. Die Königin war in letzter Zeit in einer sehr seltsamen Stimmung gewesen, und Adiss erinnerte sich zu gut an das Schicksal seines Vorgängers. Er betrat den nur schwach erhellten Thronsaal und warf sich vor dem Thronpodest auf den Boden.
»Der Obereunuche nähert sich dem Thron«, leierte der Chor der ergebenen Eunuchen. Obgleich er selbst vor noch gar nicht so langer Zeit ein Angehöriger dieses Chores gewesen war, reizte Adiss diese Meldung des Offensichtlichen.
Die Königin döste auf ihrem Diwan. Ihr gesprenkelter, zusammengeringelter Leib bewegte sich ruhelos, und die Schuppen schabten mit trockenem Rascheln gegeneinander. Sie öffnete die seelenlosen Schlangenaugen und blickte ihn züngelnd an. »Nun?« fragte sie übellaunig mit dieser trockenen Wisperstimme, die sein Blut jedesmal gerinnen ließ.
»Ih-hr ließet mich rufen, Göttliche Salmissra«, stammelte er.
»Das weiß ich, Idiot. Ärgert mich nicht, Adiss. Ich bin kurz davor mich zu häuten, und das macht mich immer sehr reizbar. Ich wies Euch an herauszufinden, was die Alorner vorhaben. Ich warte auf Euren Bericht.« »Ich konnte nicht sehr viel erfahren, meine Königin.«
»Das ist nicht die Antwort, die ich hören will, Adiss«, sagte sie drohend. »Könnte es sein, daß die Pflichten Eures Amtes Eure Fähigkeiten übersteigen?«
Adiss zitterte heftig. »Ich – ich schickte nach Droblek, Eure Majestät, das ist der drasnische Hafenaufseher hier in Cthiss Tor. Ich dachte, er könnte vielleicht ein wenig Licht in die Sache bringen.«
»Möglich«, sagte sie abwesend und blickte in den Spiegel. »Schickt auch nach dem tolnedrischen Gesandten. Was immer die Alorner in Cthol Murgos machen, betrifft Varana ebenfalls.«
»Verzeiht, Göttliche Salmissra«, sagte Adiss etwas verwirrt. »Was könnten die Unternehmen der Alorner und Tolnedrer mit uns zu tun haben?« Sie schwang den Kopf langsam herum, und ihr geschmeidiger Hals wiegte sich in der Luft. »Seid Ihr wahrhaftig so unfähig, Adiss? Selbst wenn es uns nicht gefällt, ist Nyissa ein Teil der Welt, und wir müssen immer darüber informiert sein, was unsere Nachbarn tun – und weshalb.« Sie hielt inne und züngelte nervös. »Es ist etwas im Gange und ich muß wissen, worum es genau geht, ehe ich entscheiden kann, ob ich in dieser Richtung etwas unternehmen soll oder nicht.« Wieder machte sie eine Pause. »Habt Ihr inzwischen herausgefunden, was aus dem Einäugigen, diesem Issus, geworden ist?«
»Jawohl, Eure Majestät. Er wurde vom drasnischen Geheimdienst angeworben. Dem letzten Bericht nach befand er sich mit der alornischen Abordnung in Rak Urga.«
»Sehr merkwürdig. Ich muß unbedingt Genaues über diese Sache erfahren – und zwar rasch! Enttäuscht mich nicht, Adiss. Eure Stellung ist bereits etwas wacklig, wißt Ihr? So, jetzt dürft Ihr mich küssen.« Sie senkte den Kopf, und er stolperte zum Podest, um mit zitternden Lippen ihre kalte Stirn zu berühren.
»Sehr gut, Adiss. Ihr dürft jetzt gehen!« Sie wandte sich wieder ihrem Spiegel zu.
König Nathel von Mishrak ac Thull war ein junger Mann mit schlaffen Lippen, stumpfen Augen, lehmfarbenem Haar und einem auffälligen Mangel an allem, was auch nur entfernt mit Intelligenz zu tun hatte. Seine königlichen Gewänder hingen befleckt und zerknittert von ihm, und seine Krone paßte ihm nicht. Sie saß auf seinen Ohren und rutschte häufig über seine Augen.
Agachak, der knochendürre Hierarch von Rak Urgo, konnte den jungen König der Thuller nicht ausstehen, aber er zwang sich, während ihres Gesprächs
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