Malloreon 5 - Seherin von Kell
verletzt?« »Nein«, erwiderte Garion gepreßt. »Wir müssen es zu Ende bringen.«
Toth war jedoch schon da. Er stand mit gespreizten Beinen direkt im Schatten des riesigen Drachenschädels und hieb auf die Kehle des Untiers ein. Schwalle von Blut spritzten aus den durchtrennten Schlagadern, während der stumme Hüne die Luftröhre durchzuhacken versuchte, die so dick wie ein Faß war. Die ganzen Anstrengungen Garions und seiner Freunde hatten bis jetzt nicht mehr als Pein verursacht, während Toths entschlossener Angriff das Leben des Drachen bedrohte. Wenn es ihm gelang, die Luftröhre zu durchtrennen, würde das Ungeheuer sterben. Der Drache kämpfte sich auf seine Vorderbeine und richtete sich hoch über den Hünen auf. »Toth!« brüllte Durnik. »Schnell zurück! Er wird nach dir schnappen!«
Aber es waren nicht die scharfen Fänge, die zuschlugen.
Vage sah Garion im blutenden Körper des Drachen die verschwommene Gestalt Mordjas verzweifelt das Schattenschwert Cthrek Goru heben. Und dann stieß der Dämonenherrscher damit zu. Als wäre sie unstofflich, drang die Klinge aus der Drachenbrust und durch Toth, bis sie aus seinem Rücken ragte. Der Stumme erstarrte und glitt, selbst in seiner Todessekunde unfähig zu schreien, leblos vom Schwert.
»Nein!« brüllte Durnik mit einer Stimme voll unendlicher Trauer.
Eisige Ruhe erfüllte Garion da. »Halt mir seine Zähne vom Leib«, bat er Zakath tonlos. Dann schritt er vorwärts und drehte erneut sein Schwert, diesmal zu einem Stoß, wie er ihn noch nie zuvor geführt hatte. Er richtete die Waffe jedoch nicht auf die Wunde, die Toth geöffnet hatte, sondern auf des Drachen breite Brust.
Cthrek Goru zuckte heraus, um ihn abzuwehren, doch Garion parierte diesen verzweifelten Hieb, dann drückte er die Schulter gegen die schwere Parierstange seines Schwertes. Er fixierte den zurückzuckenden Dämon mit einem Blick abgrundtiefen Hasses und trieb sein Schwert mit aller Kraft in die Drachenbrust. Die gewaltige Welle, als das Auge seine Kraft ausstieß, ließ ihn fast taumeln.
Glatt wie durch Wasser drang das Schwert des rivanischen Königs in das Herz des Drachen.
Das grauenvolle Brüllen sowohl des Drachen wie des Dämonenherrschers endete in einem Röcheln.
Grimmig riß Garion sein Schwert zurück und entfernte sich aus der Reichweite des im Todeskampf zuckenden Tieres. Schließlich sackte der Drache zusammen, zitterte noch kurz und lag still. Garion drehte sich schwerfällig um.
Toths Gesicht war ruhig, doch die blinde Cyradis und Durnik, die links und rechts von seiner Leiche knieten, weinten unverhohlen. Hoch über ihnen stieß der Albatros einen Schrei aus, der seine Trauer verkündete.
Cyradis weinte, ihre Augenbinde war von Tränen getränkt.
Der rauchig wirkende orangefarbene Himmel wallte, und zwischen den dahinrasenden Wolken breiteten sich schwarze Flecken aus, die ebenso wogten wie die Wolken. Und diese schwarzen Flecken erschauderten und zuckten, als sich Blitze aus ihnen lösten, die wie betrunken durch die graue Luft torkelten, ehe sie heftig im Altar des Einäugigen Gottes auf der Stufenpyramide einschlugen. Cyradis weinte.
Die gleichförmigen Steine des Amphitheaterbodens waren noch dunkel von der Nässe des Nebels, der das Riff vor dem Morgengrauen eingehüllt hatte, und dem Regen des vergangenen Tages. Die weißen Sprenkel in dem eisenharten Stein glitzerten unter der Feuchtigkeit wie Sterne. Cyradis weinte.
Garion holte tief Atem und schaute sich im Amphitheater um. Es war nicht ganz so groß, wie er zuerst geglaubt hatte – und gewiß nicht groß genug für das, was hier geschehen war, aber dafür wäre wahrscheinlich nicht einmal die ganze Welt groß genug gewesen. Die Gesichter seiner Gefährten, abwechselnd vom feurigen Schein des Himmels gerötet, dann wiederum totenbleich im zuckenden Licht der Blitze, wirkten zutiefst betroffen von der Ungeheuerlichkeit der Geschehnisse. Das Amphitheater war übersät mit den Leichen von Grolims, die als schwarze Flecken auf dem Steinboden lagen oder in scheinbar knochenlosen Klumpen auf den Stufen. Garion hörte ein eigenartiges, stimmloses Grollen, das zu einem Seufzen zu ersterben schien. Er blickte den Drachen ohne Neugier an. Die Zunge hing aus dem klaffenden Maul, und die Reptilaugen starrten ihn leer an. Der Laut, den er vernommen hatte, war aus diesem riesigen Kadaver gekommen. Die Gedärme des Tieres, denen noch nicht bewußt war, daß sie tot waren, setzten ihre Arbeit der Verdauung
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