Malory
deshalb so lange verheiratet waren, weil er glaubte, daß du mich noch immer liebst? Die Abmachung war, daß wir uns nach ein paar Jahren scheiden lassen würden, aber erst dann, wenn er mit dieser Ehe den letzten Tropfen Herzblut aus dir herausgepreßt hätte. Der einzige Grund, warum er endlich in die Scheidung eingewilligt hat, war, daß du nicht mehr oft genug in der Gegend warst, um seine Schadenfreude zu befriedigen.«
»Du mußtest es also länger bei ihm aushalten, als dir lieb war. Soll ich dich jetzt vielleicht noch bemitleiden?«
»Vergiß nicht, daß er mir in all den Jahren nie etwas bedeutet hat und ich ihm auch nicht.«
»Es gibt also doch noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit?«
»Vielleicht solltest du auch noch wissen, daß ihn der letzte Teil seines Plans schließlich gelangweilt und er einen neuen ausgeheckt hat.«
»Glaubst du etwa, ich würde den gleichen Fehler noch einmal machen?«
»Nein, ich dachte nur, du solltest wissen, daß die Sache für ihn noch nicht abgeschlossen ist. Er haßt dich immer noch, weißt du? Ich habe mich schon oft gefragt, wie es möglich ist, daß sich jemand Raufereien und Beleidigungen aus Kindheits-tagen derart zu Herzen nehmen kann. Er beklagte sich immer wieder, wie sehr er sich vor seinem Vater geschämt hat, weil er immer der Unterlegene war und sein Vater sich über ihn lustig machte und ihn demütigte, wenn er aus den Kämpfen mit dir als Verlierer hervorging. Er haßte seinen Vater, konnte es aber nicht zugeben – und verlagerte seinen Haß dann auf dich, denn mit dir hatte er ein leichtes Spiel, da brauchte er keine Schuld-gefühle zu haben.«
»Zum Teufel mit Steven, aber du – du hättest mir sagen sollen, daß du für Geld zu haben bist, Marianne. Ich hätte ihn überbieten können.«
Diese Beleidigung verfehlte nicht ihr Ziel und trieb ihr die Röte ins Gesicht. »Du weißt ja nicht, wie es ist, aus ärmlichen Verhältnissen zu stammen. Du hast immer alles bekommen, was du wolltest. Ich wollte dich nicht hereinlegen. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, daß du so nett und lebenslustig sein würdest – zumindest warst du das damals. Aber ich habe mich auf das Spiel eingelassen und mußte mich an die Regeln halten.«
»Ja, natürlich, des Geldes wegen«, sagte er verächtlich.
»Nun, Warren, als kleine Wiedergutmachung erzähle ich dir jetzt noch etwas gratis. Dieses junge Mädchen, das du in deinem Haus hattest: Die ganze Stadt weiß, daß du sie kompromittiert hast und daß sie dich nicht heiraten wollte. Jetzt ist Steven unterwegs nach England – auf ihrem Schiff. Wie ich schon sagte, er suchte nach einer neuen Möglichkeit, dir eins auszuwischen. Sieht ganz so aus, als hätte er eine gefunden.«
Kapitel 41
Georgina wartete gar nicht erst ab, bis sie Amy gemeldet wurde, sondern eilte schnurstracks die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer und betrat es, ohne anzuklopfen.
»Amy Malory, ich kann nicht glauben, mit wem ich dich heute gesehen habe. Weißt du überhaupt ... Hast du die leiseste Ahnung ... Wie kannst du nur mit diesem Mann ausgehen?«
Amy rollte sich von ihrem Bett, wo sie gerade die neuesten Modehefte durchgeblättert hatte. »Schön dich zu sehen, Tante George. Wie geht es der kleinen Jack?«
»Mit diesem Trick kannst du vielleicht deine Onkel ablenken, nicht aber mich. Du warst mit Steven Addington zusammen.«
»Ja, ich weiß.«
»Aber weißt du auch, wer er ist?«
»Natürlich weiß ich das«, antwortete Amy sachlich. »Du hast mir doch alles über ihn erzählt, wie du dich vielleicht erinnerst. Er ist der Mann, der Marianne geheiratet hat. Sie sind übrigens inzwischen geschieden.«
Georgina starrte sie mit offenem Mund an. »Du wußtest es und hast dir trotzdem von ihm den Hof machen lassen?«
»Zunächst schon.«
»Aber wieso?« fragte Georgina. »Und erzähl mir bloß nicht, daß du ihn auch noch magst.«
»Er sieht ganz gut aus, findest du nicht?«
»Amy!«
»Schon gut«, seufzte Amy. »Es ist alles ganz einfach. Seit unserer Abreise aus Bridgeport hat sich Steven um mich bemüht. Ich habe mich zuerst etwas gewundert, zumal er von meiner Weigerung, Warren zu heiraten, wußte. Wie konnte er das wissen, ohne den Rest zu kennen?«
»Konnte er nicht.«
»Genau. Warum sollte er sich also um mich bemühen, wenn er doch wußte, daß ich kompromittiert worden bin?«
»Er dachte vielleicht, du wärst leicht zu haben?« meinte Georgina gequält.
»Auf diese Idee bin ich auch schon gekommen, habe sie dann aber
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