Malory
höchstpersönlich Hackfleisch aus dir.«
Warren ließ sich durch diese Drohung nicht einschüchtern, da er ohnehin nicht die geringste Absicht verspürte, sich Amy noch einmal zu nähern. Aber er verspürte keine Erleichterung, sondern vielmehr ein flaues Gefühl im Magen und das Bedürfnis, einfach hinter ihr herzulaufen. Doch nachgeben wollte er dieser nie gekannten Regung auf keinen Fall.
»Wie seid ihr so schnell hierhergekommen?« fragte er James, um auf andere Gedanken zu kommen.
»Mit deinem Schiff.«
Unter normalen Umständen wäre Warren bei diesen Worten explodiert, in diesem Augenblick jedoch fühlte er sich erleichtert, daß sein Schiff für ihn im Hafen bereitlag. Er wollte sich sofort auf den Weg machen.
»Ihr werdet mich entschuldigen«, sagte er. »Macht es euch bequem in meinem Haus. Ich werde inzwischen nach der Nereus sehen, das heißt nach dem, was von ihr übrig ist.«
Seine Worte trafen James in seiner Seemannsehre. »Nicht viel«, sagte er, um es ihm heimzuzahlen.
Doch Warren ließ sich nicht provozieren. »Du wirst verstehen, daß ich euch unter diesen Umständen unmöglich anbieten kann, euch nach England zurückzubringen.«
»Als ob wir dich und Amy zusammen auf einem Schiff reisen lassen würden«, brummte Anthony.
Warren ließ sich auch dadurch nicht beirren. »Dann werden wir uns vielleicht nicht wiedersehen.«
»Wie bedauerlich!«
Kapitel 40
Warrens Brüder waren bereits mit dem neuen Geschäftsführer der Skylark Richtung England unterwegs. Wenn sich Warren sofort auf den Weg machte, konnte er sie vielleicht noch auf See einholen und ihnen dort alles erklären, anstatt selbst nach England zurückzukehren.
Doch er machte sich nicht sofort auf den Weg, sondern erkundigte sich, welche anderen Schiffe nach England segelten. Eines dieser Schiffe sollte in drei Tagen auslaufen, und er ging davon aus, daß Amy auf diesem Schiff sein würde. Auch wenn sie mit ihren Onkeln schon abreiste, so war das für ihn noch lange kein Grund, überhaupt nach London zurückzukehren. Sollten sie seinen Brüdern alles erklären. Der neue Geschäftsführer würde sich im Skylark-Büro schon zurechtfinden, und für Warren gab es in London ohnehin nichts zu tun – außer Amy näher zu sein, als es seinem Seelenfrieden zuträglich war.
Am besten würde er England für mehrere Jahre gänzlich meiden, fiel es ihm doch schon schwer genug, sich von seinem Haus fernzuhalten, solange sich Amy darin aufhielt.
Trotzdem hatte er immer noch dies nagende Gefühl, daß er sich wenigstens die Zeit hätte nehmen müssen, ihr in Ruhe zu erklären, warum er sie nicht heiraten wollte; daß es nicht gegen ihre Person gerichtet war, sondern gegen das Heiraten an sich. Wahrscheinlich wußte sie das ohnehin, da sie so viel über seine Vergangenheit wußte, auch über die Geschichte mit Marianne.
Er hatte immer noch Amys Gesicht vor Augen, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte: diese Mischung aus Verletzt-heit, Enttäuschung und Trotz, die sie weit älter als achtzehn erscheinen ließ und das Bedürfnis in ihm weckte, sie zu trö-
sten. Sie hatte ihn verteidigt, sich aber geweigert, ihn zu Bedingungen zu heiraten, die nicht die ihren waren. Dafür war er dankbar – oder sollte es sein. Tatsache aber war, daß sie sich geweigert hatte, ihn zu heiraten.
Er würde in drei Teufels Namen nicht zulassen, daß ihn das jetzt auch noch kränkte!
Warren stürzte sich in die Arbeit und nahm Kontakt zu alten Freunden auf. Am Tag von Amys Abreise betrank er sich bis zur Besinnungslosigkeit, was er am darauffolgenden Tag, den er ausschließlich im Bett verbrachte, bitter bereute. Dann nahm er sein gewohntes Leben wieder auf: Er zog in sein Haus zurück, nicht aber in sein Schlafzimmer, dazu waren die Erinnerungen noch zu wach. Er plante eine Reise zu den Westindischen Inseln, die mehrere Monate dauern würde, nahm Fracht an Bord und verbrachte seinen letzten Abend mit Mac, der rücksichts-voll genug war, die Malorys mit keinem Wort zu erwähnen.
Am Morgen seiner geplanten Abreise ging Warren zu Fuß zum Hafen, um das spätsommerliche Wetter zu genießen, was ihm jedoch nicht gelingen wollte. Fünf Tage waren seit Amys Abreise verstrichen, und es fiel ihm etwas leichter, nicht an sie zu denken – das jedenfalls versuchte er sich einzureden. In Wirklichkeit dachte er ununterbrochen an sie. Aber es würde ihm leichter fallen. Es mußte, denn die Erinnerung an sie wurde immer schmerzlicher.
Sein Spaziergang durch die Stadt
Weitere Kostenlose Bücher