Malory
aber er war schon verschwunden.
»Hier haben sie dich also verprügelt?« sagte Anthony zu seinem Bruder, als sie das große Studierzimmer im Erdgeschoß betraten. »Nun, geräumig genug ist es ja.«
»Hör auf, Tony«
Anthony aber fuhr unbeeindruckt im gleichen Stile fort:
»Du mußt mir unbedingt den berüchtigten Keller zeigen, solange wir hier sind, damit ich Jack eines Tages davon erzählen kann. Sie wird sicher begeistert sein, wenn sie hört, daß ihr Onkel um Haaresbreite ihren Vater erhängt hätte.«
James trat einen Schritt auf seinen Bruder zu. Connie warf sich zwischen die beiden. In diesem Augenblick trat Warren ein. »Konntet wohl nicht auf mich warten?«
Sofort wichen die Brüder auseinander. »Gut aufgepaßt, Yankee«, meinte Connie. »Sie waren eben dabei zu vergessen, daß du es bist, dem sie den Kragen umdrehen wollen.«
»Wem steht also das Vergnügen zu?« fragte Warren, vom einen zum anderen blickend.
»Mir sicher nicht, alter Knabe«, antwortete Anthony. »Habe das selbst schon alles durchgemacht, weißt du, auch wenn mir keine Schwäger im Nacken saßen. Zufällig gab es nämlich keine. Mußte die ehrenhafte Aufgabe alleine bewältigen.«
Warren wandte sich an James: »Dann wirst also du den Rächer spielen?«
Es dauerte eine Weile, bis James antwortete: »Nein. Falls du die Sache in Ordnung bringst, laß ich die Finger von dir. Und so wie die Dinge liegen, hast du ohnehin keine andere Wahl.«
Warren sah das natürlich ein und war um so wütender auf sich selbst. Es war schön gewesen, Amys Reize zu genießen, allerdings nur so lange, wie ihre Familie nichts davon erfuhr.
»Ich heirate sie«, stieß er zwischen den Zähnen hervor,
»aber der Teufel soll mich holen, wenn ich mit ihr zusammen-lebe oder wenn ich mir von euch Mistkerlen noch länger Vor-schriften machen lasse.«
»Schon gut, Junge, aber so entgegenkommend brauchst du gar nicht zu sein«, sagte Anthony. »Wir werden uns mit der Heirat zufriedengeben.«
»Willst du mich wirklich heiraten?«
Warren fuhr herum und sah Amy in der Tür stehen. Sie hatte sich nur rasch ihr zerknittertes Kleid übergezogen und war barfuß. Seine eigenen Hände hatten dazu beigetragen, daß ihre wunderschöne schwarze Mähne so in Unordnung geraten war.
Sie blieb ganz ruhig, von ihrer aufbrausenden Art war nichts zu spüren.
Und er war zu wütend, um zu spüren, wie sich ihm das Herz zusammenschnürte, zu wütend auch darüber, daß sie ganz offensichtlich auf seine Antwort gefaßt gewesen war. »Du kennst die Antwort bereits. Ich habe nie etwas anderes behauptet, oder?«
Amy hatte zwar mit dieser Antwort gerechnet, aber als sie sie dann tatsächlich aus seinem Munde vernahm – nach allem, was sie in letzter Zeit, insbesondere in der letzten Nacht, miteinander erlebt hatten –, war der Schmerz fast unerträglich, er durchdrang ihren ganzen Körper und schnürte ihr die Kehle zu. Warren stand da, so zornig und stur wie eh und je, und sie wäre lieber tot umgefallen, als ihn wissen zu lassen, wie sehr er sie mit seinen Worten verletzt hatte.
»Dann ist für dich ja alles in Ordnung«, sagte sie sachlich.
»Nicht ganz, liebes Kind«, erwiderte James. »Was für ihn in Ordnung ist, steht hier nicht zur Debatte.«
»O doch. Ich werde ihn jedenfalls nicht heiraten.«
Ungläubig starrte James sie an. »Weißt du, was dein Vater dazu sagen wird?«
»Ich denke nicht daran, ihn zu heiraten, solange er mich nicht darum bittet«, lautete Amys Antwort.
»Man kann die Sturheit auch übertreiben«, sagte Anthony, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
»Außerdem wird er dich bitten, ihn zu heiraten, Amy«, meinte James. »Das garantiere ich dir.«
»Diese Art von Bitte zählt für mich nicht. Er muß es wirklich ernst meinen, und ich muß davon überzeugt sein, daß er es ernst meint. Ich hab es dir bereits gesagt, Onkel James: Ich will nicht, daß er unter Zwang zum Altar geht. Das war mein letztes Wort. Und nun möchte ich so bald wie möglich nach Hause. Wenn das einer von euch für mich arrangieren könnte
...«
Sie würdigte Warren keines Blickes mehr und ging so laut-los, wie sie gekommen war. Aber die Wut, die sie zurückließ, war förmlich greifbar, zumindest für James und Anthony.
»Zum Teufel«, knurrte James.
»Tja, damit bist du wohl aus dem Schneider, Yankee«, lautete Anthonys verächtlicher Kommentar. »Aber das bedeutet natürlich auch, daß du verdammt noch mal die Finger von ihr läßt, oder ich mache
Weitere Kostenlose Bücher