Malory
Nicht-Familienmitgliedes.
»Wenn du sie anfaßt, bist du ein toter Mann!«
Bei dieser Warnung drehte sich James nicht einmal um.
Auf Knien hockte er vor dem Sofa und tätschelte ganz sanft Georginas Wangen, um sie wieder zu Bewußtsein zu bringen.
In das lastende Schweigen hinein knurrte Thomas: »Ich hab's dir doch gesagt, Clinton.«
»So ist es. Ein Grund mehr, keine Zeit zu verplempern.«
»Wenn ich ihn sofort zu Gouverneur Wolcott bringe, wür-de er schon morgen am Galgen hängen und das Problem wäre gelöst.«
»Aber er hat sie doch kompromittiert, Warren«, erinnerte ihn Clinton. »Erstmal wird er sie heiraten, dann reden wir weiter.«
Ihre Stimmen dröhnten hinter seinem Rücken, doch James hörte kaum hin. Georginas Gesichtsfarbe bereitete ihm ernsthaft Sorgen, und auch ihr Atem ging viel zu flach. Er selbst hatte noch nie etwas mit ohnmächtigen Damen zu tun gehabt, es waren immer andere Frauen zur Stelle gewesen, die Riechsalz oder dergleichen parat hielten. Scheinbar hatten ihre Brüder so etwas nicht im Haus, sonst hätten sie es wohl schon damit versucht. Hatten nicht versengte Federn denselben Effekt? Er inspizierte rasch das Sofa.
»Probieren Sie doch mal, sie an den Füßen zu kitzeln«, schlug Drew vor, der jetzt hinter James stand. »Da ist sie sehr empfindlich.«
»Das weiß ich«, erwiderte James und erinnerte sich, wie er ihr einmal beim Liebesspiel ganz sachte die Fußsohle ge-streichelt hatte und dabei fast aus dem Bett geflogen wäre, so hatte sie aus Reflex nach ihm getreten.
»Sie wissen das? Woher zum Henker wollen Sie das wissen?«
James seufzte entnervt, als er den streitsüchtigen Tonfall hörte. »Rein zufällig, mein Freund. Glaubst du vielleicht, ich treibe so kindische Spielchen wie Füße kitzeln?«
»Dann frag ich mich, welche Spielchen Sie mit meiner Schwester getrieben haben?«
»Genau die, die du vermutest.«
Drew holte zischend Luft, bevor er drohend knurrte: »Sie können schon mal anfangen, sich ihr Grab zu schaufeln, verehrter Engländer.«
James blickte kurz über seine Schulter. Er hätte gerne dabei gelächelt, wenn es nicht so schmerzhaft gewesen wäre.
»Den Teufel werde ich tun. Soll ich euch zuliebe etwa lü-
gen?«
»Bei Gott ja, das wäre besser gewesen!«
»Bedaure, alter Knabe, aber ich habe nun mal keine solchen Skrupel, mit denen du dich zu belasten scheinst. Wie ich deiner Schwester bereits gesagt habe, bin ich in gewissen Dingen unverbesserlich.«
»Was Frauen anbelangt?«
»Jawohl. Bist ein kluges Kerlchen.«
Drew bekam einen knallroten Kopf und ballte die Fäuste.
»Sie sind ja noch schlimmer als Warren! Wenn sie ...«
»Halt die Luft an, Junge. Du hast dein Herz am rechten Fleck, da bin ich sicher, aber mich kriegst du nicht rum. Warum machst du dich statt dessen nicht ein wenig nützlich und besorgst etwas, das deine Schwester wieder auf die Beine bringt? Sie sollte unsere kleine Party auf keinen Fall versäumen.«
Ärgerlich stapfte Drew davon und kam gleich darauf mit einem Glas Wasser zurück. James musterte es mit einem skeptischen Blick. »Was zum Teufel soll ich denn damit anfangen?« Als Antwort schüttete Drew seiner Schwester den Inhalt mitten ins Gesicht. »Oh, da bin ich aber froh, daß du mir das abgenommen hast«, bedankte sich James, als Georgina sich spuckend und kreischend aufsetzte und sich wütend nach dem Übeltäter umblickte.
»Du warst ohnmächtig, Georgie«, verteidigte sich Drew rasch.
»Nebenan sitzen ein gutes Dutzend Damen, die alle Riechsalz in der Tasche haben«, beschwerte sie sich zornig und wischte sich unbeholfen das Wasser von Gesicht und Dekollete. »Hättest du nicht jemanden darum bitten können?«
»Daran habe ich nicht gedacht.«
»Gut, dann hättest du wenigstens ein Handtuch mitbrin-gen können«, schimpfte sie empört. »Drew, du nichtsnutzi-ger Tölpel, sieh bloß, was du mit meinem Kleid gemacht hast!«
»Das Kleid hättest du sowieso nicht tragen sollen«, erwiderte Drew ungerührt. »Jetzt wirst du dich wohl umziehen müssen.«
»Pah, wenn du das mit Absicht getan hast, werde ich das Kleid solange tragen, bis es mir in Fetzen vom Leib fällt.«
»Kinder, wenn es euch nichts ausmacht ...« meldete sich James zu Wort und zog damit Georginas Aufmerksamkeit auf sich. »Oh, James, sieh nur dein Gesicht an!«
»Das ist gar nicht so einfach, Kleine. Aber ich an deiner Stelle würde ganz still sein, du siehst auch nicht viel besser aus, du bist ja tropfnaß.«
»Ja, vom Wasser, du
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