Malory
schmerzte zwar höllisch, aber er konnte es sich bei aller Liebe nicht verkneifen.
»Nett von dir/George, daß du so nachsichtig warst und nichts erzählt hast«, brachte er schließlich unter Prusten heraus.
Sie schenkte ihm einen finsteren Blick und stellte dann sehr ernst eine Frage: »Was machst du eigentlich hier, James?«
Das Lachen gefror auf seinem Gesicht und im nächsten Augenblick kehrte seine Feindseligkeit zurück.
»Du hast übersehen, dich zu verabschieden, Geliebte, und ich wollte dir nur die Gelegenheit bieten, das Versäumte nachzuholen.«
Aha, deshalb war er so verärgert. Der Herr fühlte sich wohl übergangen? Und wegen dieser nichtigen, lächerlichen Rachsucht zerstörte er ihren Ruf und ihre tiefen Gefühle für ihn? Nun, über das letztere konnte sie im Grunde froh sein.
Wenn sie nur daran dachte, wie sie geglaubt hatte, vor Kummer zu sterben, weil sie ihn nie wiedersehen würde! Jetzt wünschte sie sich wirklich, ihn niemals wiederzusehen.
»Verzeihung, wie gedankenlos von mir«, schnurrte sie mit brüchiger Stimme, »aber das ist einfach in Ordnung zu bringen: Auf Wiedersehen, Kapitän Malory!«
Georgina drehte sich auf dem Absatz um, wollte mit einem glänzendem Abgang davonrauschen, und stand plötzlich ihren Brüdern gegenüber. Die hatten jedes Wort ihrer hitzigen Auseinandersetzung mit James verstanden und starrten sie nun wortlos an. Zum Teufel, wie konnte sie nur vergessen haben, daß sie nicht allein waren?
34. Kapitel
»Nun, selbst ein Blinder kann unschwer übersehen, wie vertraut ihr beide miteinander seid!«
Georgina runzelte über Warrens schneidende Bemerkung die Stirn, doch zugleich mit ihrer Verlegenheit und ihrem unterdrückten Arger wuchs auch der Drang, sich zu verteidigen. »Worauf willst du mit deiner Bemerkung eigentlich hinaus, Warren? Schließlich habe ich fünf Wochen als Schiffsjunge auf der Maiden Anne zugebracht, worüber euch James ja bereits so rücksichtsvoll unterrichtet hat.«
»Und in seinem Bett?«
»Aha, kommen wir nun zu des Pudels Kern?« Ihre eine Augenbraue hob sich indigniert, eine gelungene Nachah-mung von James' Angewohnheit, und das in Adelskreisen übliche »wir« hatte sie ebenfalls, ohne es zu bemerken, von ihm übernommen. Sarkasmus war nicht gerade ihre Stärke, und so war es nur zu verständlich, daß sie den Meister dieses Fachs kopierte. »Ich war der Meinung, das Wort eines Piraten hätte dir genügt. Deswegen habt ihr vier euch doch auf ihn gestürzt und versucht, ihn fertigzumachen, hab ich recht? Du hast doch jedes Wort geglaubt? Nicht ein einziges Mal ist es dir in den Sinn gekommen, daß er vielleicht gelogen haben könnte?«
Clinton und Boyd bekamen vor lauter schlechtem Gewissen knallrote Gesichter. Drew konnte sie nicht sehen, er stand hinter ihr, doch Warren fühlte sich offenbar im Recht.
»Kein normaler Mensch würde unlautere Machenschaften zugeben, wenn sie nicht wahr wären.«
»Nein? Wenn du ihn besser kennen würdest, Warren, so wüßtest du, daß er imstande wäre, sogar einen Mord zuzugeben, egal ob es stimmt oder nicht, und das nur wegen der effektvollen Wirkung. Er ist doch darauf aus, Zwietracht zu säen, siehst du das nicht? Außerdem, wer sagt denn, daß er normal ist?«
»Dagegen möchte ich mich entschieden verwahren, George«, ließ sich James leiser Protest vom Sofa her vernehmen, wohin er seinen geschundenen Körper geschleppt hatte.
»Immerhin haben mich deine Brüder wiedererkannt, hast du das etwa überhört?«
»Fahr zur Hölle, James!« zischte sie ihm über die Schulter entgegen. »Kannst du nicht einmal deinen verfluchten Mund halten? Du hast zu diesen Gespräch schon genug beigetragen ...«
»Das ist kein Gespräch, Georgie«, fiel ihr Clinton ins Wort,
»man hat dir eine ganz klare Frage gestellt. Warum beant-wortest du sie nicht, anstatt weiter um den heißen Brei her-umzureden?«
Georgina stöhnte innerlich. Offenbar kam sie ihnen nicht aus. Sie brauchte sich doch gar nicht so ... so schuldig zu fühlen - aber es waren halt ihre Brüder. Man sagt eben seinen Brüdern nicht so einfach ins Gesicht, daß man mit einem Mann geschlafen hat, mit dem man nicht verheiratet ist. Es kostete schon Überwindung genug, über solch intime Angelegenheiten zu sprechen, wenn man verheiratet ist.
Ganz kurz spielte sie mit dem Gedanken zu lügen - doch schon allzu bald würde der Beweis sichtbar werden. Und dann war da noch James, der ihr eine Lüge sicherlich nicht durchgehen lassen würde,
Weitere Kostenlose Bücher