Malory
Arschloch, aber nicht von Blut!« keifte sie, sich an Drew wendend. »Hast du denn wenigstens ein Taschentuch?«
Er kramte in seiner Hosentasche und zog ein weißes Tüchlein hervor, das er ihr in der Annahme reichte, sie würde sich damit ihr Gesicht trocknen. Doch erstaunt muß-
te er beobachten, wie sie sich stattdessen vorbeugte und behutsam die blutverkrusteten Wunden in James Gesicht be-tupfte. Und der Mann machte auch keinerlei Anstalten, sich dagegen zu wehren, sondern kniete sich vor sie hin und ließ sich von ihr so selbstverständlich versorgen, als hätte er sie nicht kurz zuvor mit seinen Blicken erdolcht, sie nicht vor Freunden und ihrer Familie aufs unverschämteste beleidigt und als hätte sie ihn nicht eben noch als »Arschloch«
bezeichnet. Drew blickte in die Runde, ob seine Brüder dieses verrückte Benehmen ebenfalls bemerkt hatten. Warren und Clinton nicht, sie waren noch immer in ein Streitge-präch vertieft. Boyd jedoch begegnete seinem Blick und rollte vielsagend mit den Augen. Drew nickte zustimmend.
Thomas schüttelte teils ungläubig, teils belustigt den Kopf.
Drew hingegen konnte an der ganzen Sache überhaupt nichts Amüsantes finden. Er sollte verdammt sein, wenn er einen Seeräuber zum Schwager haben wollte - ehemalig oder nicht. Schlimmer noch, einen englischen Seeräuber obendrein. Am Allerschlimmsten, einen Lord aus der alten Heimat. Außerdem konnte er einfach nicht glauben, daß seine Schwester sich tatsächlich in diesen unmöglichen Kerl verliebt haben sollte. Das Ganze gab schlichtweg keinen Sinn.
Was machte Georgie im Moment überhaupt für ein Getue mit ihm? Und warum war sie gleich in Ohnmacht gefallen, nur weil sie sein Gesicht ein wenig derangiert hatten?
Drew mußte allerdings zugeben, daß dieser Engländer wirklich eine ganz eindrucksvolle Erscheinung war. Ein un-besiegter Faustkämpfer, schön, das machte vielleicht auf ihn Eindruck, aber bestimmt nicht auf Georgie. Man könnte ihn tatsächlich als unverschämt gutaussehend bezeichnen, zumindest war er es, bevor sie sein Gesicht in die Mangel genommen hatten. Doch ließ sich Georgina tatsächlich von solch unwichtigen Kleinigkeiten beeindrucken, nachdem sie auch die andere Seite der Medaille kannte? Zum Kuckuck, sie war überhaupt so sonderbar, seit er sie in Jamaika aufgegabelt hatte.
»Du bist ganz schön geschickt mit deinen Fäusten.«
Nach dieser mürrischen Bemerkung von Georgina sprangen Drews Blicke schnell zu James, dessen Reaktion er gespannt beobachtete, doch in diesem verquollenen Gesicht konnte er leider keine Gefühlsregung erkennen.
»Allerdings, ich hab ja auch lange Zeit im Ring trainiert.«
»Wie konntest du dafür noch Zeit erübrigen, neben einer Plantage auf den Inseln und der Seeräuberei?«
»Hast du mir nicht einmal zu verstehen gegeben, daß ich ein alter Mann sei, Kleine? Demnach müßte mir noch reichlich Zeit für eine Menge anderer Vergnügungen geblieben sein, nicht wahr?«
Drew verschluckte sich beinahe, als er dies hörte, und das ließ Georgina aufhorchen. »Du stehst ja immer noch tatenlos herum! Seine geschwollenen Augen benötigen unbedingt einen kalten Umschlag - und deine übrigens auch.«
»Oh nein, Georgie-Mädchen. Keine zehn Pferde bringen mich momentan von hier weg. Wenn ich jedoch ein wenig zurücktreten soll, damit du mit diesem Kerl ein paar private Worte wechseln kannst, warum bittest du mich nicht einfach darum?«
»Ich habe ihm absolut nichts zu sagen ...« zischte sie em-pört, und ihre Blicke wanderten wieder zurück zu James.
»Ja, dich meine ich. Nichts ... außer, daß dein Benehmen heute abend dein gewöhnliches Maß an Abscheulichkeit bei weitem überschritten hat. Ich hätte wissen müssen, zu welchen Gemeinheiten du fähig sein würdest. Die Anzeichen waren ja nicht zu übersehen. Aber nein, ich dumme Gans habe damals deine zynische Art, andere lächerlich zu machen als harmlos angesehen, nur eine Angewohnheit, wie du es nanntest, ohne böse Absicht. Und ich habe dir das auch noch geglaubt! Aber das war ein Fehler. Deine gottverdammte Zunge ist tödlich wie eine Klinge, das weiß ich jetzt.
Nun, bist du zufrieden mit deinem Erfolg? Hast du dich dabei gut unterhalten? Was zum Teufel machst du denn eigentlich hier auf den Knien? Die hätten dich schon längst ins Bett stecken sollen.«
Erst hatte sie sich in hitzige Wut hineingesteigert und am Ende rührende Besorgnis um ihn gezeigt! James setzte sich auf und find schallend an zu lachen. Es
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