Malory
»Ja.
Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich den Wandschirm von der Badewanne benütze?«
»Wofür denn, zum Teufel?«
Für meine Privatsphäre, du Trottel! Ihre Frage schien ihn wieder derartig amüsiert zu haben, daß sie nur kläglich hinzufügen konnte: »Verzeihung, das war nur so ein Gedanke.«
»Das Denken läßt du besser bleiben, mein lieber Junge, und strengst stattdessen deinen Grips an. Dieser Wandschirm ist am Boden festgeschraubt, wie alles hier in der Kabine, mit Ausnahme der Sessel. Und es ist deine wichtigste Aufgabe, diese sofort festzuhaken, wenn Schlechtwetter gemeldet wird.«
Diesmal konnte Georgina deutlich fühlen, wie ihr die Rö-
te in die Wangen stieg. Verdammt, wie konnte sie das nur vergessen? Man hatte ihr schon als Kleinkind beigebracht, daß alles auf einem Schiff verriegelt, festgezurrt oder sonst-wie gesichert sein mußte, damit es nicht bei Sturm durch-einanderpolterte und in tausend Stücke brach. Wo war sie nur mit ihren Gedanken, daß sie die einfachsten Dinge vergaß?
»Ich habe nicht behauptet, daß ich schon einmal zur See gefahren bin«, versuchte sie ihre dumme Frage abzuschwä-
chen.
»Dann bist du also aus England?«
»Nein«, platzte sie empört heraus, versuchte jedoch gleich ihre Antwort abzuschwächen: »Ich meine, ich kam zwar auf einem Schiff nach England, aber als Passagier und da habe ich auf solche Dinge nicht geachtet.«
»Das macht nichts. Du wirst schon noch alles Wichtige lernen, jetzt wo du zur Mannschaft gehörst. Trau dich ruhig zu fragen, wenn du was nicht verstehst.«
»Wenn Sie gerade Zeit haben, Kapitän, wären Sie wohl so liebenswürdig, mir meine übrigen Aufgaben hier an Bord zu ... «
Als sie seinen spöttischen Blick bemerkte, hielt sie mitten im Satz inne. Was hatte sie jetzt schon wieder gesagt, daß er so unverschämt grinste?
Darüber ließ er sie nicht lange im Ungewissen. »Wären Sie so liebenswürdig ...?« wiederholte er lachend. »Gott im Himmel, das will ich nicht hoffen ... Seit ich so alt war wie du, war ich nicht mehr liebenswürdig. Und so liebenswürdig
- niemals.«
»Das war doch nur so eine Redewendung«, entgegnete sie voller Entrüstung.
»Das? Das war ein Relikt aus deiner Kinderstube, Kleiner.
Viel zu gutes Benehmen für einen einfachen Schiffsjungen.«
»Sind schlechte Manieren etwa die Voraussetzung für diesen Job? Das hätte man mir aber vorher sagen müssen.«
»Nun werd' mal nicht frech, Bürschlein, oder ich zieh dir deine Ohren lang - wenn du überhaupt welche unter deiner Mütze hast.«
»Hab ich, Kapitän. Abstehende Ohren, die doppelt so groß sind wie normale. Deshalb verstecke ich sie ja auch.«
»Oh, du enttäuscht mich, Junge. Ich hätte auf vorzeitige Glatzenbildung gewettet. Aber nur große, abstehende Ohren?«
Trotz dieser Beleidigung konnte sich Georgina ein Schmunzeln nicht verbeißen. Sein flegelhafter Humor war beinahe amüsant. Wer hätte gedacht, daß dieser selbstherrliche Haudegen so unterhaltsam sein konnte. Und sie wunderte sich auch, daß sie die Stirn hatte, so mit ihm herumzu-flachsen, wo er doch so ein entschlossenes Gesicht aufgesetzt hatte.
»Aha«, grinste er zurück. »Der Bursche hat ja Zähne, und auch noch so weiß wie Perlen. Na ja, du bist noch jung -
wart' mal ab, ein paar Jahre auf See und sie fangen an zu faulen.«
»Ihre faulen doch auch nicht.«
»Hoppla! Spielt der junge Dachs etwa auf mein Alter an?«
»Das meinte ich nicht ...«, stotterte sie verlegen und kam wieder zum Thema zurück. »Wegen meiner Pflichten, Sir?«
»Hat dir Connie nicht alles genauestens erklärt, als er dich angeheuert hat?«
»Nein, Sir. Er sagte nur, ich müsse ihnen zu Diensten stehen und sonst niemandem. Genauer erläutert hat er mir meine Aufgaben aber nicht.«
»Na, alles was so anfällt...«
Das konnte ja alles mögliche bedeuten, überlegte sie verunsichert und gab zähneknirschend zu bedenken: »Kapitän Malory, ich habe von Schiffsjungen gehört, die sogar Kühe melken mußten ...«
»Großer Gott, die Ärmsten!« feixte er mit gespieltem Entsetzen. »Ich bin kein großer Freund von Milch, aus dem Alter bin ich raus, da kann ich dich beruhigen.«
»Was habe ich dann zu tun?« ließ sie nicht locker.
»Von allem ein bißchen: du wirst bei Tisch servieren, dich um die Getränke kümmern, alle Aufgaben eines gewöhnlichen Dienstboten erledigen und, nachdem mich mein Kammerdiener hier in London so kläglich im Stich gelassen hat, wirst du natürlich auch seine
Weitere Kostenlose Bücher