Malory
geringschätzig.
Das Lächeln, das er ihr jetzt schenkte, war eines der zärt-lichsten, das sie jemals gesehen hatte. Sie mußte tief durchat-men, so sehr ging es ihr ans Herz.
»Ich fand dein Geständnis hinreißend, mein Schatz.« Sein Handrücken streichelte sanft ihre Wange. »Du fühlst dich jetzt aber nicht …, jetzt ist dir aber nicht übel, oder?«
Seine Berührung verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht, ebensowenig sein Lächeln. Den Fehler von gestern nacht würde sie aber sicher nicht noch einmal begehen, um sich dann hinterher seinem Gespött auszuliefern. Aber das konnte sowieso nicht mehr geschehen. Dieser Mann war nichts für sie, auch wenn er ihren Puls zum Rasen und ihr Innerstes zum Erbeben bringen konnte. Er war ein Engländer, und was noch viel schlimmer war, ein blasierter Aristokrat obendrein. Hatte sein Land dem ihren nicht jahrelang die Hölle auf Erden bereitet? Und selbst lange vor dem Krieg hatten ihre Brüder gegen die Willkür der Engländer ge-kämpft. Das konnte sie nicht so leicht unter den Tisch kehren, wie sie es vielleicht gerne getan hätte. Ihre Brüder würden diesen Mann nicht einmal über die Schwelle ihres Hauses treten lassen. Nein, James Malory war nicht der passende Mann für sie. Das mußte sie sich von nun an immer vor Augen halten, und vor allem ihm zu verstehen geben, selbst wenn sie gezwungen sein sollte zu lügen.
»Nein, Kapitän. Mir ist kein bißchen übel. Sie hatten mir ja ein Mittel dagegen versprochen, und es hat tatsächlich seine Wirkung nicht verfehlt. Ich bin Ihnen dafür auch sehr dankbar, benötige aber keine weitere Dosis.«
Als sie ihn immer noch grinsen sah, wußte sie, daß ihr Versuch, ihn abzuweisen, kläglich gescheitert war.
»Wie schade«, war sein einziger Kommentar, doch der ge-nügte, um sie erröten zu lassen.
»Wegen des Quartiers ...?« brachte sie die Frage, die ihr so auf der Zunge brannte, noch einmal aufs Tapet und kletterte aus der Hängematte.
»Keine weitere Diskussion, George. Du bleibst hier, und damit Schluß.«
Ihr Mund öffnete sich schon zu einer Antwort, klappte aber schnell wieder zu. Darauf könnte sie sich einlassen, falls er begriffen hatte, daß sie ihm von nun an nicht mehr bei jeder Gelegenheit behilflich sein würde. Genau betrachtet zog sie nämlich seine Kabine jedem anderen Quartier vor, wenn sie schon keinen Raum für sich haben konnte. Hier konnte sie wenigstens ihre Bandagen ablegen und einigermaßen bequem schlafen.
»Einverstanden, solange die Aufteilung der Schlafplätze dieselbe bleibt wie heute nacht.« Das war eindeutig genug.
»Ihren Rücken schrubben Sie sich jetzt wohl selbst, Sir?«
James war schon wieder dem Lachen nahe. Wie geziert die junge Dame heute morgen sprach, und wie gebieterisch. Es würde ihn wirklich interessieren, was für ein Leben sie ge-wöhnlich führte, wenn sie nicht gerade in abgewetzten Hosen steckte. Daß sie keine Hafennutte war, konnte er nach den Erlebnissen der vergangenen Nacht getrost ausschlie-
ßen.
»Muß ich dich daran erinnern, George, daß du der einzige Schiffsjunge an Bord bist? Du hast dich doch selbst um den Job gerissen, also führst du ihn auch zu Ende. Oder hast du etwa auch vergessen, wer hier der Kapitän ist?«
»Sie wollen mir also Schwierigkeiten machen?«
»Nicht im geringsten. Ich hebe es nur hervor, weil du mir keine andere Wahl läßt. Denk nur nicht, daß ich dich ausnützen will, weil du letzte Nacht so entgegenkommend warst.«
Georginas Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie ihn musterte, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos. Sie seufzte.
»Nun gut, machen wir also so weiter wie bisher …, genauer gesagt, wie bis letzte Nacht.« Bei diesem Zugeständnis versuchte sie ein kleines Lächeln. »Und nun werde ich mich, wie befohlen, etwas sorgfältiger ankleiden und ihr Früh-stück holen.«
Er beobachtete, wie sie hastig ihre restlichen Kleidungsstücke vom Boden aufsammelte und hinter dem Wandschirm verschwand. Er biß sich auf die Zunge, um nicht irgendeine anzügliche Bemerkung loszulassen, ihre neuerliche Schamhaftigkeit betreffend.
Stattdessen bemerkte er nur: »Übrigens brauchst du mich nun nicht mehr zu siezen, George.«
Sie blieb stehen und warf ihm einen erstaunten Blick über die Schulter zu. »Verzeihung, ich denke schon, daß es angebracht wäre. Trotz allem, was vorgefallen ist, sind sie immerhin alt genug, um mein Vater zu sein. Älteren Menschen zol-le ich stets den nötigen Respekt.«
Vergeblich suchte er
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