Malory
nichts, Sherry allerdings ...«
»Wie alt bist du denn eigentlich, George?«
Endlich war er damit herausgerückt. Sie hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, wie lange er sich diese Frage noch verkneifen würde. »Zweiundzwanzig.«
»So? Ich hätte auf mindestens sechsundzwanzig getippt -
bei deinem Mundwerk«, brummte er.
Aha, das war es also. Er suchte offenbar eine Ausrede für ihren Altersunterschied. Hämisch grinsend beschloß sie, ihm in die Parade zu fahren.
»Glauben Sie, James?« flötete sie zuckersüß. »Das ist ein reizendes Kompliment. Wie oft höre ich, daß ich viel zu jung für mein Alter aussehe.«
»Viel zu frech, genau wie ich sagte!«
»Meine Güte, Sie sind aber schlechtgelaunt«, tadelte sie ihn und verkniff sich das Lachen.
»Ganz und gar nicht«, gab er unterkühlt zurück und öffnete eine Schublade. »Ganz zufällig habe ich dein bevorzugtes Getränk zur Hand. Rück dir einen Sessel ran und setz dich zu mir.«
Das hatte sie nun nicht erwartet. Langsam setzte sie sich auf und überlegte fieberhaft, wie sie sein Angebot höflich ablehnen konnte, als er schon eine Flasche Portwein geöffnet hatte und ein Glas füllte. Ein kleiner Schlummertrunk könn-te ihr gewiß nicht schaden, dachte sie bei sich, kletterte aus ihrer Hängematte und schleppte den schweren Sessel zum Schreibtisch. Noch im Stehen nahm sie das angebotene Glas, vermied es aber tunlichst, in seine grünen Augen zu blicken oder seine Hand zu berühren.
Betont lässig prostete sie ihm zu, lächelte und nahm einen kleinen Schluck. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, James, das muß ich schon sagen.« Absichtlich hatte sie ihn zum ersten Mal mit seinem Vornamen angesprochen, und die Wirkung ließ nicht auf sich warten: Er ärgerte sich. »Zumal ich das unbestimmte Gefühl habe, daß Sie auf mich wütend sind, Kapitän.«
»Wütend, auf so ein niedliches Kerlchen? Weshalb sollte ich?«
»Ihre Augen funkeln so«, erklärte sie schelmisch.
»Leidenschaft, kleines Fräulein, nackte ... unverhüllte Leidenschaft.« Ihr Herz setzte ein paar Schläge lang aus, und sie wurde ganz still. Entgegen ihrem festen Vorsatz suchten ihre Augen die seinen; und da war schon wieder, diese Begierde - heiß, fesselnd und fordernd, drang sie bis in ihr Innerstes. Hastig stürzte sie den Rest Portwein hinunter und verschluckte sich fürchterlich. Der Bann war gebrochen, jedenfalls im Augenblick, und sie antwortete zwischen erstickten Husten: »Ich hatte also Recht: leidenschaftliche Wut.«
Zwischen zusammengebissenen Zähnen zischte er: »Du bist ja heute in Hochform, Kerlchen. Nein ... nein, hierge-blieben!« fügte er streng hinzu, als sie ihr Glas abstellte und aufstehen wollte. »Wir haben noch gar nicht über den Grund meiner ... leidenschaftlichen Wut gesprochen. Der Ausdruck ist nicht schlecht, ich muß ihn nächstens unbedingt bei Jason anbringen, wenn er mal wieder an die Decke geht.«
»Wer ist Jason?« Nur ablenken von diesem kitzligen Thema.
»Mein Bruder«, erklärte er leichthin. »Ich habe mehrere.
Aber laß uns nicht abschweifen, Süße!«
»Keinesfalls, ich bin nämlich sehr müde«, stimmte sie ihm zu und beobachtete besorgt, wie er ihr Glas von neuem füll-te. »Feigling!« Sein amüsierter Unterton konnte sie jedoch nicht über diese Herausforderung hinwegtäuschen. »Ganz recht«, versuchte sie zu kontern, griff nach dem vollen Glas und nahm einen kräftigen Schluck. »Also, was gedenken Sie zu besprechen?«
»Meine leidenschaftliche Wut natürlich. Wie kommst du eigentlich auf Wut, wenn ich von Leidenschaft gesprochen habe?«
»Weil ... weil ... zum Teufel, Malory, sie wissen genau, daß sie auf mich wütend waren.«
»Das ist mir aber neu«, lächelte er und sah dabei aus wie eine Raubkatze, bereit zum tödlichen Sprung. »Vielleicht klärst du mich ja mal auf, warum ich wütend auf dich sein sollte?«
Zuzugeben, daß sie seinen Stolz verletzt hatte, hieß aber auch zugeben, daß sie es absichtlich getan hatte. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, entgegnete sie mit Unschuldsmiene.
»Tatsächlich nicht?« krümmte sich eine goldene Braue und erinnerte sie plötzlich, daß er sie die letzten Tage mit dieser Geste verschont hatte. »Komm her, George!«
Ihre Augen weiteten sich entsetzt. »Oh nein!« wehrte sie ab und schüttelte heftig den Kopf.
»Ich will dir doch nur beweisen, daß ich nicht im geringsten wütend auf dich bin.«
»Ihr Wort genügt mir vollauf ...«
»George!«
»Nein!«
»Dann komm
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