Malory
anderen Vorwand aus der Affäre gezogen. Malory, jünger als sie, war ihre letzte Zuflucht gewesen. Und jetzt geriet sie mitten in einen Familien-krach hinein, nur wegen dieses jungen Dings.
»Da hast du es, Marshall«, sagte Reggie gerade. »Dagegen kannst du doch bestimmt nichts einwenden.«
»Nein, wohl kaum«, bestätigte er mürrisch. »Aber denk daran, daß du von einer halben Stunde gesprochen hast, Kusine. Ich kann dir nur raten, bei den Shepfords zu sein, ehe Vater zufällig bemerkt, daß du nicht da bist. Andernfalls ist der Teufel los, und das weißt du genau.«
3.
»Aber ich meine es ganz ernst, Tony!« erklärte Reggie, während sie ihn in seinem Wohnzimmer besorgt anschaute. »Wie kannst du bloß an mir zweifeln? Es ist wirklich eine Notlage, Tony.« Er war der einzige ihrer Onkel, der darauf bestand, daß sie ihn schlicht mit seinem Vornamen ansprach.
Sie hatte zwanzig Minuten warten müssen, bis es gelungen war, ihn aufzuwecken, denn er hatte den ganzen Tag mit Trinken und Spielen in seinem Club zugebracht und war dann heimgekommen und sofort ins Bett gefallen. Weitere zehn Minuten waren mit dem Versuch vergeudet worden, ihn dazu zu bringen, daß er ihr endlich glaubte, wie ernst es ihr war. Ihre dreißig Minuten waren bereits abgelaufen, und sie hatte kaum ihr eigentliches Anliegen ausgesprochen. Marshall würde sie umbringen.
»Jetzt hör aber auf, Kätzchen! Du wärst noch keine Woche auf dem Land und würdest schon das gute alte London und seine Lebenslust vermissen. Wenn du eine Ruhepause brauchst, dann erzähl dem guten Eddie, daß du krank bist oder sonst was. Wenn du ein paar Tage lang allein in deinem Zimmer warst, wirst du mir dankbar sein, daß ich dich jetzt nicht ernst nehme.«
»Ich habe das ganze letzte Jahr über nichts anderes als dieses flotte Leben gehabt«, fuhr Reggie entschlossen fort.
»Ich bin auf meiner Europareise von einer Party zur nächsten gereist, nicht von einem Land in ein anderes. Und es geht nicht nur darum, daß ich diese ständigen gesellschaftlichen Ereignisse satt habe, Tony. Damit käme ich wirklich noch zurecht. Mein Vorschlag geht auch nicht dahin, daß ich die ganze Ballsaison in Haverston verbringen will, nur ein par Wochen, damit ich mich erholen kann.
Diese Jagd auf einen Mann bringt mich um. Wirklich!«
»Niemand hat gesagt, daß du den ersten Mann, den du kennenlernst, gleich heiraten mußt, Kätzchen«, erwiderte Anthony begütigend.
»Den ersten Mann? Es waren schon Hunderte, Tony.
Du kannst ruhig wissen, daß sie mich inzwischen den
›kalten Fisch‹ nennen.«
»Um Gottes willen, wer nennt dich so?«
»Der Name ist absolut angemessen. Ich war kalt und ab-weisend. Das mußte ich sein, weil ich nicht bereit bin, einem Mann Hoffnungen zu machen, wo keine bestehen.«
»Wovon, zum Teufel, sprichst du eigentlich?« fragte Anthony barsch.
»Ich habe Sir John Dodsley schon längst vor Ende der letzten Ballsaison engagiert.«
»Diesen alten Taugenichts? Für was engagiert?«
»Als eine Art Ratgeber, könnte man vielleicht sagen«, gestand sie ein. »Dieser alte Taugenichts, wie du ihn nennst, kennt Gott und die Welt. Und außerdem weiß er alles über jeden. Nachdem mein sechster ernsthafter Freier von dir und deinen Brüdern abgelehnt worden ist, fand ich, es sei sinnlos, weiterhin mich selbst oder irgendwelche jungen Männer zu enttäuschen, indem ich all das noch öfter durchmache. Ich habe Dodsley dafür bezahlt, daß er zu jeder Einladung, die ich annehme, auch erscheint. Er hatte eine Liste dessen, was dir und deinen Brüdern bei einem Mann mißfallen könnte, und bei so ziemlich jedem Mann, den ich kennenlernte, schüttelte er den Kopf. Das hat mir Zeit erspart und mich vor Enttäu-schungen bewahrt, aber es hat mir auch diesen strittigen Spitznamen eingetragen. Es ist unmöglich, Tony. Ich kann es Jason recht machen, aber dir nicht... Dir, aber Edward nicht. Dem Himmel sei Dank, daß Onkel James nicht auch noch hier ist und seiner Meinung Ausdruck verleiht.
Es gibt nicht einen Mann auf dieser Welt, der euch allen passen würde.«
»Das ist doch absurd«, protestierte er. »Ich könnte ein Dutzend Männer aus dem Handgelenk schütteln, die absolut in Ordnung wären.«
»Wären sie das wirklich, Tony?« fragte sie mit zarter Stimme. »Würdest du es wirklich gerne sehen, wenn ich einen von ihnen heiraten würde?«
Er schnitt ein bekümmertes Gesicht und grinste dann plötzlich. »Nein, ich glaube nicht.«
»Dann siehst du also
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