Malory
mit seinen neunzehn Jahren in Reggies Alter und das mittlere von Edwards Kindern. Travis, Reggie und Onkel Jasons einziger Sohn waren ihr Leben lang Spielgefährten gewesen.
Reggies Mutter, Melissa, war viel jünger als ihre beiden großen Brüder gewesen, umfast sieben Jahre. Aber zwei Jahre nach ihrer Geburt hatte James das Licht der Welt erblickt.
James war der unbändige Bruder, derjenige, der »zum Teufel damit« sagte und seine eigenen Wege ging. Jetzt, nach seinem fünfunddreißigsten Geburtstag galt es als ungeschriebenes Gesetz, daß nicht einmal sein Name genannt werden durfte. Was Jason und Edward anging, exi-stierte James überhaupt nicht. Aber Reggie liebte ihn immer noch, trotz seiner schrecklichen Sünden. Sie vermißte ihn sehr und konnte ihn nur heimlich treffen. In den vergangenen neun Jahren hatte sie ihn nur sechsmal gesehen, das letzte Mal vor mehr als zwei Jahren.
Anthony war, um der Wahrheit gerecht zu werden, ihr Lieblingsonkel - außerdem der einzige außer Reggie, Amy und der Mutter, der das dunkle Haar und die kobaltblauen Augen der Großmutter geerbt hatte, von der man munkelte, sie wäre eine Zigeunerin gewesen. Natürlich wollte kein Familienangehöriger diesen skandalösen Umstand bestätigen. Vielleicht mochte Reggie ihn am liebsten, weil er so sorglos war wie sie selbst.
Anthony war mit seinen vierunddreißig und als das Nesthäkchen der Familie eher so etwas wie ein Bruder, weniger ein Onkel, und außerdem amüsanterweise der notorischste Lebemann der Londoner Gesellschaft, seit sein Bruder James die Stadt verlassen hatte. Aber im Ge-gensatz zu James, der viel von Jason hatte und absolut rücksichtslos sein konnte, besaß Anthony einige Eigen-schaften von Edward. Er war forsch und kühn, ein unglaublicher Charmeur. Ihn interessierte nicht die Spur, wie andere über ihn dachten, aber auf seine persönliche Art tat er alles, um denen zu gefallen, die ihm wichtig waren.
Reggie lächelte. Trotz all seiner Mätressen und seiner exotischen Freunde, mit denen er sich umgab, trotz all der Skandale, die ihn umrankten, und der Duelle, die er aus-gefochten hatte, trotz der wüsten Wetten, die er abgeschlossen hatte - sie hielt Anthony für den liebenswerte-sten Heuchler, den man sich nur denken konnte. Wenn einer seiner Gaunerfreunde sie auch nur ansah, stand ihm eine Kampfansage bevor. Selbst die schlimmsten Wüstlinge lernten, ihre Gedanken zu verbergen, wenn sie ihren Onkel besuchte. Statt dessen mußten sie sich auf ein harmloses Geplänkel beschränken, und damit hatte es sich. Wenn Onkel Jason je erfahren hätte, daß sie mit manchen der Männer, die sie dort kennengelernt hatte, auch nur im selben Raum gewesen war, wären die Köpfe gerollt, allen anderen voran Tonys Kopf. Doch Jason erfuhr es nie, und Edward hegte zwar einen Verdacht, aber er war nicht so streng wie Jason.
Ihre vier Onkel behandelten sie weniger wie ihre Nichte, sondern weit mehr wie eine Tochter, da alle vier sie nach dem Tod ihrer Eltern, als Reggie erst zwei Jahre alt gewesen war, aufgezogen hatten. Seit ihrem sechsten Lebensjahr war sie buchstäblich unter ihnen aufgeteilt worden. Edward, James und Anthony hatten damals schon in London gelebt. Sie stritten heftig mit Jason, weil er darauf bestand, sie bei sich auf dem Land zu behalten.
Schließlich gab er nach und gestattete ihr, sechs Monate im Jahr bei Edward zu leben, was hieß, daß sie auch ihre beiden jüngeren Onkel oft sehen konnte.
Als sie elf war, fand Anthony, er wäre jetzt alt genug, um auch seinen Anteil an ihrer Zeit für sich zu beanspru-chen. Ihm wurden die Sommermonate zugestanden, die Zeit, die ganz dem Spielen diente. Mit Freuden brachte er das Opfer, sein Junggesellenhaus alljährlich in ein Zuhause zu verwandeln, und das war leicht zu bewerkstelli-gen, denn wenn Reggie kam, brachte sie ihre Zofe, ihr Kindermädchen und ihre Gouvernante mit. Anthony und Reggie aßen zweimal in der Woche mit Edward und seiner Familie zu Abend. Trotz allem konnte diese Häuslichkeit bei Anthony nie den Wunsch auslösen, selbst zu heiraten.
Er war nach wie vor Junggeselle. Und seit sie volljährig war, ziemte es sich nicht mehr, daß sie einen Teil des Jahres bei ihm verbrachte, was hieß, daß sie ihn nur noch un-regelmäßig sah.
Aber schließlich, dachte sie, würde sie ja bald verheiratet sein. Es war nicht gerade das, was sie sich wirklich wünschte. Viel lieber hätte sie noch ein paar Jahre ihren Spaß gehabt. Aber es war das, was ihre Onkel
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