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Malory

Malory

Titel: Malory Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 07. Zaertlicher Raeuber
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behände von dem Stuhl neben der Tür, wo er Wache hielt. Dabei machte er weniger Geräusche als der Dieb beim Betreten des Raumes.
    Plötzlich tauchte er vor der Nase des Gauners auf, ein Hüne von einem Mann, nun ja, zumindest im Vergleich zu dem kleinen Halunken. Aber auf jeden Fall war er groß genug, um dem Gassenjungen einen Heidenschreck einzujagen, sodass er Hals über Kopf auf dem gleichen Weg verschwand, auf dem er gekommen war.
    Jeremy knallte die Tür hinter dem Jungen zu. Er gab nicht auf; schließlich war die Nacht noch jung, und die Diebe waren noch nicht verzweifelt. Wenn es sein musste, würde er einfach einen von ihnen festhalten, bis sie ihm ihren besten Mann brachten.
    Percy dagegen kapitulierte. Er saß auf dem Bett und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand – beim bloßen Gedanken daran, unter diese Decken zu kriechen, hatte er sich geschüttelt. Jeremy hatte jedoch darauf bestanden, dass er sich hinlegte, um zumindest den Eindruck zu erwecken, er schliefe. »Es muss doch einen einfacheren Weg geben, einen Dieb anzuheuern«, beklagte er sich.
    »Gibt es kein Büro, das welche vermittelt?«
    Jeremy musste sich das Lachen verbeißen. »Geduld, alter Junge. Ich habe dich gewarnt, es würde die ganze Nacht dauern.«
    »Ich hätte es doch deinem Vater stecken sollen«, brummelte Percy.
    »Was hast du gesagt?«
    »Nichts, mein Lieber, gar nichts.«
    Jeremy schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr.
    Man konnte es Percy nicht verübeln, dass er sich fragte, ob Jeremy tatsächlich allein mit diesem Schlamassel fertig werden konnte. Immerhin war er neun Jahre jünger als Percy, und da dieser so ein Wirrkopf war und kein Geheimnis für sich behalten konnte, hatte ihm niemand erzählt, wie Jeremy in Wirklichkeit aufgewachsen war.
    Der Tatsache, dass er während der ersten sechzehn Jahre seines Lebens in einer Schänke gelebt und gearbeitet hatte, verdankte Jeremy einige überraschende Fähigkeiten. Er konnte solche Mengen von Hochprozentigem vertragen, dass er seine Freunde unter den Tisch trank, bis sie vollkommen hinüber waren, während er selbst vergleichsweise nüchtern blieb. Bei Prügeleien konnte er, wenn es sein musste, ziemlich heimtückisch werden.
    Und er hatte einen scharfen Blick dafür, ob eine Drohung ernst gemeint oder bloß heiße Luft war.
    Seine unkonventionelle Erziehung war freilich nicht damit beendet gewesen, dass sein Vater von seiner Exis-tenz erfuhr und ihn bei sich aufnahm. Nein, damals war James Malory noch immer von seiner großen Familie ent-fremdet und führte in der Karibik das sorglose Leben eines Piraten oder eines »Gentleman-Piraten«, wie er sich lieber nannte. James’ bunt zusammengewürfelte Mann-schaft hatte sich Jeremys angenommen und ihm weitere Dinge beigebracht, von denen ein Junge in seinem Alter eigentlich nichts wissen sollte.
    Von alledem hatte Percy keine Ahnung. Er hatte stets nur das Oberflächliche zu Gesicht bekommen, den charmanten Lausbuben, der heute, mit fünfundzwanzig, nicht mehr so lausbübisch, aber immer noch charmant war und so gut aussah, dass er keinen Raum betreten konnte, ohne dass sämtliche anwesenden Damen sich ein kleines bisschen in ihn verliebten. Abgesehen von den Frauen in seiner eigenen Familie, die ihn lediglich vergötterten.
    Jeremy sah seinem Onkel Anthony ähnlich, und jeder, der ihm zum ersten Mal begegnete und beide kannte, hätte geschworen, dass er eher Tonys als James’ Sohn war. Wie sein Onkel war Jeremy groß und breitschultrig und hatte eine schlanke Taille, schmale Hüften und lange Beine. Beiden gemeinsam waren zudem ein breiter Mund und ein ausgeprägtes, arrogantes Kinn sowie eine stolze Hakennase, ein dunkler Teint und dichtes pechschwarzes Haar.
    Das Eindrucksvollste an Jeremy war jedoch ein Augenpaar, wie es nur wenige Malorys hatten: strahlend blau unter schweren Lidern, leicht schräg gestellt, was ihm einen Hauch von Exotik verlieh, eingerahmt von schwarzen Wimpern und markanten Brauen. Zigeuneraugen, wurde immer wieder gemunkelt, geerbt von seiner Ur-großmutter Anastasia Stephanoff, in deren Adern, wie die Familie erst im vergangenen Jahr herausgefunden hatte, tatsächlich zur Hälfte Zigeunerblut geflossen war.
    Christopher Malory, der Erste Marquis von Haverston, war so hingerissen von ihr gewesen, dass er sie bereits am zweiten Tag ihrer Bekanntschaft geheiratet hatte. Außer der Familie würde jedoch niemals jemand von dieser Sache erfahren.
    Es war verständlich, warum Percy lieber Jeremys

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