Malory
den Salon. Diese Roslynn Malory war ebenfalls eine verflixt gut aussehende Frau, dachte Drew. Man hatte ihm erzählt, wie Anthony die Dame erobert hatte. Sie hatte einen Mann gebraucht, um sich vor einem gewissenlosen Cousin zu schützen, der vorhatte, ihr Vermögen zu stehlen. Anthony hatte sich zum Erstaunen seiner Familie freiwillig gemeldet. Er zählte auch zu den Frauenhelden, denen niemand eine Liebesheirat zugetraut hatte.
Eins musste Drew den Malory-Männern lassen: bei Frauen bewiesen sie ausgesprochen guten Geschmack. Und James Malory hatte seiner Meinung nach den besten Fang gemacht, denn James war es gelungen, die einzige Schwester der Andersons dazu zu bringen, sich in ihn zu verlieben. Selbstverständlich verdiente er sie nicht. Darin waren sich all ihre Brüder einig. Aber es war unbestreitbar, dass er sie glücklich machte.
Drew gefiel es nicht besonders, mit seinem schrecklichen Schwager auf ein Schiff gesperrt zu werden, doch er war hocherfreut, einige Zeit mit seiner Schwester und seiner Nichte verbringen zu können, denn er kam nicht allzu oft nach London. Schade, dass man James nicht zu Hause lassen konnte.
Vielleicht sollte er das vorschlagen. Er konnte durchaus allein auf James’ Familie aufpassen, schließlich war es auch seine Familie. Und er war sicher, dass James bei den schlechten Erinnerungen, die er an seinen letzten Besuch in Bridgeport hatte, in Wahrheit gar nicht mitwollte.
Den Vorschlag zu machen, konnte ja nicht schaden, dachte Drew. Es würde noch eine Woche dauern, bis sie segelten, ge-nügend Zeit für James, wenigstens darüber nachzudenken, ob er zu Hause bleiben sollte. Auch Drew würde ausreichend Zeit haben zu beobachten, wie Jeremy sich die Fesseln der Ehe anlegen ließ, und zu bedauern, dass ein weiterer eingefleisch-ter Junggeselle von Bord ging. Eher würde er sich erschießen lassen, als jemals etwas derartig Dummes zu tun.
Kapitel 6
Drew war in Eile. Er hatte soeben erfahren, dass das Schiff seines Bruders Boyd, die Oceanus, im Hafen Anker geworfen hatte und aufs Andocken wartete. Es würde Tage dauern, bis es einen Liegeplatz zugewiesen bekam, denn die Reihe der einlaufenden Schiffe war lang. Aber das hieß nicht, dass Boyd nicht schon an Land gegangen sein konnte, und falls dem nicht so war, würde Drew ein Beiboot suchen, das ihn zu Boyds Schiff hinausruderte.
Er hatte nicht gewusst, dass Boyd einen Zwischenstopp in England geplant hatte, doch der Zeitpunkt hätte gar nicht günstiger gewählt sein können. Die Familie war erst gestern von Jeremys Hochzeit nach London zurückgekehrt und wür-de in weniger als einer Woche nach Connecticut segeln. Drew war heute zu den Docks heruntergefahren, um seinen ersten Offizier darüber zu informieren, dass sie früher als geplant in See stechen würden.
Eigentlich hatte er damit gerechnet, die Oceanus in Bridgeport vorzufinden, da sie üblicherweise Zucker und Tabak von den Westindischen Inseln in die nordöstlichen Staaten brachte. Er hatte sich bereits auf das Wiedersehen mit seinem jüngsten Bruder gefreut. Hauptsächlich aus diesem Grund hatte er selbst den Heimathafen ansteuern wollen.
Falls Boyd nur nach England gekommen war, um Georgina zu besuchen, hatte er womöglich Lust, mit Drew nach Hause zu segeln. Das war wirklich eine gute Idee, insbesondere da ihr Schwager James den Wink nicht verstanden hatte und immer noch fest entschlossen war, seine Frau und seine Tochter zu begleiten. Mit diesem speziellen Malory an Bord konnte er etwas Verstärkung brauchen.
Georgina und Boyd waren die einzigen Andersons, die ih-re Schiffe nicht selbst befehligten. Von ihr hatte man es nie erwartet, und falls es ihr je in den Sinn gekommen wäre, hätten wahrscheinlich alle fünf Brüder großen Widerstand geleistet.
Boyd dagegen hatte einfach keine Lust dazu. Er liebte es zu segeln, hatte aber schlicht nicht den Wunsch, das Kommando zu übernehmen.
Sie hatten stets gedacht, er lehnte es aus einer Unsicherheit heraus ab, bräuchte bloß Zeit, um sie zu überwinden, und am Ende würde er doch noch Kapitän seines eigenen Schiffes, der Oceanus. Doch Boyd hatte schließlich eingestanden, dass er keine Notwendigkeit sehe, diesen Schritt jemals zu tun und es vorziehe, die Reisen einfach zu genießen, ohne die Verantwortung für das Kommando zu tragen. Und da er seine Kapitäne aus eigener Tasche bezahlte, hatten seine Brüder keinen Grund, sich zu beschweren. Da Boyd also nicht gebraucht wurde, um die Oceanus übers Meer zu
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