Malory
Gesicht des Mannes war nichts abzulesen, doch sein Ton verriet große Eifersucht. Leider hatte Richard seine Frage so formuliert, dass sie ein gewisses Interesse an der Dame des Hauses durchblicken ließ, und noch bedauerlicher war, dass ihr Ehemann das mitbekommen hatte.
Gabrielle schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht der Mann sein, den sie um diesen Gefallen bitten sollte. Ihr Vater hatte sicher irgendeinen Fehler gemacht. Natürlich! Es musste mehr als einen Lord Malory in London geben. Sie waren zum falschen Haus gegangen.
Dieser Gedanke erleichterte sie ungemein, doch gerade als sie ihn in Worte fassen wollte, sagte Ohr: »Wir sind uns schon einmal begegnet, Kapitän Hawke. Es ist so viele Jahre her, dass Sie sich vielleicht nicht erinnern ...«
»Ich vergesse nie ein Gesicht.«
Erstaunt drehte Gabrielle sich zu Ohr um. Verdammt, sie waren also doch im richtigen Haus. Ohr hätte sie davor warnen sollen, mit was für einer Sorte Mann sie es zu tun bekommen würde, anstatt sie mit der Erwähnung von feinen Pinkeln in die Irre zu führen. Denn sie war überzeugt, dass Malory schon Vor Jahren, als Ohr ihn kennengelernt hatte, so gewesen war. Die Gefährlichkeit war einfach ein Teil seiner Natur.
»Dieser Name wird nicht mehr benutzt«, versetzte Malory kühl. »Also streich ihn aus deinem Gedächtnis – oder ich werde es tun.«
Das war eine klare Drohung, die zweite in den letzten Minuten. Die Spannung zwischen den drei Männern war deutlich spürbar.
Dass das Treffen so ausgehen könnte, war Gabrielle, trotz all ihrer Bedenken nie in den Sinn gekommen. Allerdings hatte sie auch eine gänzlich andere Vorstellung von englischen Aristokraten gehabt. In ihrer Kindheit hatte sie viele von ihnen kennengelernt, aber nicht ein Einziger war einschüchternd gewesen. Und dieser Mann war mehr als das. Er war groß, blond und so muskulös, dass es ihm sicher ein Leichtes sein würde, jemanden in kleine Stücke zu reißen.
Malory kam langsam die Treppe herunter. Gabrielle wollte gehen, ehe noch mehr Drohungen ausgestoßen wurden. Ohr nicht. Wortlos drückte er dem Mann den Brief in die Hand, als er in Reichweite kam.
Gabrielle stöhnte innerlich. Sie hätte den Brief selbst behalten sollen, anstatt ihn Ohr zu geben. Er war versiegelt. Keiner von ihnen hatte ihn geöffnet. Sie wusste nicht einmal, wie ihr Vater sein Ersuchen formuliert hatte – als Bitte oder als Forderung? Großer Gott, er würde es doch nicht wagen, von einem Mann wie diesem etwas zu fordern, oder?
Während Lord Malory den Brief öffnete und ihn rasch überflog, hielt sie den Atem an. »Verdammter Mist«, murmelte er, als er zu Ende gelesen hatte. Gabrielle war verlegen.
»Was ist los, James?«, fragte seine Frau mit neugierig ge-runzelter Stirn.
Stumm hielt er ihr den Brief hin, damit sie sich selbst ein Bild machen konnte. Sie fluchte kein einziges Mal. Stattdessen überraschte sie Gabrielle mit einem Lächeln.
»Oh, das wird Spaß machen«, erklärte Georgina, und es sah so aus, als meine sie es ernst. Dann schaute sie ihren Mann an. »Hast du den Brief nicht ganz gelesen?«
»Doch, aber ich glaube, du hast noch nicht richtig verstanden, was das bedeutet«, erwiderte er.
»Dass wir auf viele Feste gehen müssen?«, fragte sie.
»Nein.«
»Dass es hier ein wenig voll werden wird, weil schon zwei von meinen Brüdern zu Besuch sind?«
»Nein.«
»Was hat dich dann so verärgert, abgesehen von der Bemerkung, die dich zu einer so reizenden Zurschaustellung deiner Eifersucht veranlasst hat?«
Das konnte Gabrielle sich denken. Obwohl sie noch kein Wort gesagt hatte, musste Malory annehmen, dass sie als Tochter eines Piraten für seinen Haushalt völlig unzumutbar war.
Stattdessen sagte er bloß: »Hüte deine Zunge, George.
Wenn ich eins nie war oder sein werde – dann reizend.«
Die Eifersucht bestritt er jedoch nicht, woraufhin Richards Wangen sich vor Verlegenheit röteten. Auch die Frage seiner Frau beantwortete er nicht, was sie dazu brachte, weitere Vermutungen anzustellen.
»Dann bist du sicher etwas betreten, weil du so viele unnö-
tige Drohungen ausgestoßen hast.«
Was für eine provozierende Bemerkung. Wie konnte die Frau es wagen, so mit ihm zu sprechen? Wie kam ein kleines, kesses Persönchen wie sie überhaupt darauf, einen so großen, gefährlichen Muskelprotz zu heiraten? Zugegeben, er sah sehr gut aus mit seinen durchdringenden grünen Augen und dem langen blonden Haar, das ihm bis auf die Schulter fiel. Aber er
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