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Malory

Malory

Titel: Malory Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 08. Gefangener des Herzens
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Reisekäfig hockte. Der Vogel hatte früher Nathan gehört. Wenn er auf Nathans Schulter saß, war er lieb und freundlich, doch jeden anderen betrachtete er als Feind.
    Im ersten Jahr hatte der Vogel Gabrielle immer, wenn sie versucht hatte, ihn zu streicheln oder zu füttern, so in die Finger gezwickt, dass sie bluteten. Trotzdem hatte sie nicht aufgegeben, sodass der Vogel am Ende sozusagen ins feindliche Lager gewechselt war, und Nathan ihn Gabrielle in ihrem zweiten Jahr auf der Insel zum Geschenk machte.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Vokabular des Papageis nur aus nautischen Befehlen bestanden – und aus abwertenden Bemerkungen über ihre Mutter. Selbst der Name, den Nathan dem Vogel gegeben hatte, zielte auf die absichtliche Herabset-zung seiner Frau. Es hatte ihm Spaß gemacht, dem Vogel Sätze beizubringen wie »Carla ist eine dumme Gans« oder »Ich bin ein altes Suppenhuhn« und am schlimmsten von allen »‘n Taler und ich lass die Hosen runter«.
    Als der Papagei zum ersten Mal vor Gabrielle »Carla ist ei-ne dumme Gans« kreischte, war es Nathan derart peinlich, dass er den Vogel auf der Stelle zum Strand hinuntertrug, um ihn im Meer zu ertränken. Gabrielle musste ihm nachlaufen, um ihn davon abzuhalten, obwohl sie wusste, dass er Miss Carla nichts angetan hätte – später konnten sie beide darüber lachen.
    Ohr warf seine Serviette nach dem Vogelkäfig, was ihm drei aufgeregte Flügelschläge und ein »Böses Mädchen, böses Mädchen« einbrachte.
    Richard kicherte über den Papagei, kam aber schnell wieder auf das eigentliche Thema zurück, indem er Gabrielle fragte: »Bist du nervös, weil du heiraten sollst?«
    Die Frage überraschte sie. »Wegen des Heiratens? Nein, eigentlich freue ich mich darauf, all die schönen jungen Männer kennenzulernen, die sich während der Saison in London tum-meln. Ich hoffe, dass ich mich in einen von ihnen verliebe«, setzte sie lächelnd hinzu.
    Das stimmte, sie wusste bloß nicht, ob sie wieder in England leben wollte, wo sie doch die Inseln so sehr liebte. Und auch die Vorstellung, derart weit weg von ihrem Vater zu leben, behagte ihr gar nicht. Allerdings hoffte sie immer noch, dass sie den Mann, den sie heiraten würde, dazu überreden konnte, in die Karibik zu ziehen oder zumindest einen Teil des Jahres dort zu verbringen. »Aber dass ich von einem mir völlig unbekannten Mann, den mein Vater auch nicht besonders gut kennt, diesen Gefallen einfordern soll, also, ich hasse den Gedanken, das tun zu müssen«, fügte sie hinzu. »Vielleicht schlägt er uns ja die Tür vor der Nase zu.« Die Möglichkeit bestand immerhin.
    »Wir sind dafür da, dass er das nicht tut«, warf Ohr ruhig ein.
    »Siehst du!«, rief sie. »Das ist geradezu Erpressung, und so etwas tut man einfach nicht mit englischen Lords. Kennt einer von euch ihn überhaupt oder wisst ihr, wie es dazu kam, dass er meinem Vater einen Gefallen schuldet?«
    »Hab’ ihn nie getroffen«, erwiderte Richard.
    »Ich schon, allerdings wusste ich nicht, dass er adlig ist«, sagte Ohr. »Nach meiner – wenn auch beschränkten – Erfahrung mit feinen Pinkeln sind das meist eitle Gecken, die schon bei der geringsten Androhung von Gewalt zusammenklap-pen.«
    Gabrielle wusste nicht, ob Ohr scherzte oder nicht, doch Richard quittierte die Bemerkung mit einem bösen Blick, der sehr aufschlussreich war. Großer Gott, war ihr Freund etwa ein englischer Lord, der sich nie zu erkennen gegeben hatte?
    Sie musterte ihn eindringlich, doch er schaute sie nur an und hob eine Braue. Ihm war wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, dass er mit seiner Reaktion auf Ohrs Bemerkung ihre Neugier geweckt hatte.
    Gabrielle schob den Gedanken beiseite. Er war ohnehin absurd. Gemeine Engländer mochten wohl Piraten werden, englische Lords aber ganz gewiss nicht. Und auch wenn der Lord, den sie morgen aufsuchen würde, der allergrößte Stutzer sein sollte, hatte sie weiterhin Bedenken. Es war ihr einfach peinlich, einen Gefallen einzufordern, der nicht ihr persönlich getan worden war. Sie würde am Ende diejenige sein, die Dank schuldete – und diesen Gedanken hasste sie.
    Gabrielle war in den vergangenen drei Jahren viel erwach-sener und reifer geworden. Sie hatte herausgefunden, dass sie sich selbst zu helfen wusste und dass sie vor nichts zurück-schreckte, wenn es nötig war. Sie hatte einen Wirbelsturm überlebt, während ihr Vater auf See war, und nachher hatten sie und Margery beim Wiederaufbau der Stadt tüchtig

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