Malory
einem angenehmen Äu-
ßeren bestehen, und er sieht ganz passabel aus, nicht wahr? Ja, er ist für den Anfang nicht schlecht. Wen kannst du mir sonst noch empfehlen?«
Frances warf ihr einen entrüsteten Blick zu. Ihr wider-strebte die nüchterne, geschäftsmäßige Art, in der Roslynn diese Sache betrieb, so als würde sie Waren auf einem Markt auswählen. Aber andererseits mußte sie zugeben, daß es im Leben nun einmal so zuging, nur daß die meisten Frauen einen Vater oder Vormund hatten, der
die
notwendigen
Auskünfte
einholte,
während
sie
selbst von ewiger Liebe träumen konnten. Ros mußte sich eben um alles, auch um die finanziellen Vereinbar-ungen, selbst kümmern.
Nachdem sie die Notwendigkeit dieses Vorgehens nun eingesehen
hatte,
machte
Frances
ihre Freundin
bereit-
williger auf mehrere Herren aufmerksam, und eine Stunde später hatte Roslynn alle Kandidaten kennengelernt und einige davon in die engere Wahl gezogen. Aber die jungen Männer gaben nicht auf und holten sie immer wieder zum Tanzen. Obwohl ihr Erfolg sie von so manchen
Sorgen
befreite,
wurde
dieses
Herumscharwenzeln
ihr allmählich etwas zuviel.
Roslynn hatte so lange mit ihrem Großvater und den Dienstboten, die ihr seit vielen Jahren vertraut waren, in der Abgeschiedenheit von Cameron Hall gelebt, daß sie nur
mit
wenigen
Menschen
zusammengekommen
war.
Die Männer in ihrer Bekanntschaft waren an sie gewöhnt gewesen, und von Fremden hatte sie einfach keine Notiz genommen. Im Gegensatz zu Nettie, die alles auf den ersten Blick wahrnahm und Roslynns Wirkung auf das männliche
Geschlecht
genauestens
registrierte,
hatte
Roslynn selbst auf so etwas nie geachtet. Kein Wunder, daß sie ihrem Aussehen, das ihr nie außergewöhnlich vorgekommen
war,
keinen
großen
Wert
beigemessen
und
andererseits
den
Nachteil
ihres
›fortgeschrittenen
Alters‹ gehörig überschätzt und geglaubt hatte, nur aufgrund der Tatsache, daß sie eine reiche Erbin war, rasch einen Ehemann finden zu können.
Sie hatte sich schon mit dem Gedanken abgefunden, daß eine alte Jungfer wie sie mit irgendeinem nicht gerade wohlhabenden zweiten oder dritten Sohn würde vorlieb nehmen müssen, oder sogar mit einem Spieler, mit irgendeinem hochverschuldeten Lord. Und sie hatte sich vorgenommen, großzügig zu sein, auch wenn sie vernünftigerweise darauf bestehen mußte, daß der Ehevertrag unterzeichnet wurde, demzufolge nur sie allein über ihr Vermögen verfügen konnte. Sie konnte es sich wirklich leisten, großzügig zu sein, denn sie war unermeßlich reich.
Aber seit dem ersten Ball, auf den Frances sie mitgenommen hatte, mußte sie ihre Situation neu überdenken. Sie hatte festgestellt, daß alle Arten von Männern an ihr interessierten, obwohl ihr Reichtum noch gar nicht bekannt war. Gewiß, ihre Kleidung und ihr Schmuck bewiesen, daß sie kein Aschenputtel war, aber sie konnte es noch immer kaum glauben, daß der reiche Graf sie bereits in der South Audley Street besucht hatte, und ebenso der ihr unsympathische Lord Bradley. Auch die älteren Herren, die sie auf ihre neue Liste gesetzt hatte, waren alles andere als Habenichtse, und sie schienen über ihr Interesse sehr geschmeichelt gewesen zu sein. Aber wären sie auch bereit, sie zu heiraten? Nun, das bleibt abzuwarten. Jetzt galt es zunächst einmal, möglichst viel über jeden von ihnen herauszufinden. Sie wollte nach der Hochzeit
keine
unangenehmen
Überraschungen
erle-
ben.
Was
sie
brauchte,
wäre
eine
Vertrauensperson,
die
diese Männer seit langem mit allen Vorzügen und Nach-teilen kannte. Frances hatte, seit sie verwitwet war, ein viel zu zurückgezogenes Leben geführt, als daß sie zu einer gründlichen Charakteranalyse der in Frage kommenden Herren imstande gewesen wäre. Näheres wußte sie nur
über
einige
Freunde
ihres
verstorbenen
Mannes,
und sie hatte Roslynn keinen davon empfehlen können.
Die Herren, die sie Roslynn an diesem Abend vorgestellt hatte, waren oberflächliche Bekannte, über die sie nichts Genaues wußte.
Klatschgeschichten
hatten
hingegen
den
Nachteil,
daß
sie nicht zuverlässig waren und daß über einem aktuel-len Skandal andere leicht in Vergessenheit gerieten. Roslynn bedauerte nicht zum ersten Male in den letzten Tagen, daß Frances ihre einzige Freundin in London war.
Auf die Idee, jemanden zu engagieren, der alles über ihre
Kandidaten
auskundschaften
würde,
kamen
weder
Roslynn noch Frances; aber sie
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