Malory
was er zweifellos war. Warum gerade er?
Warum mußte der einzige Mann, der ihr den Atem raubt e ,
ausgerechnet zu jener völlig inakzeptablen Kategorie gehören?
»Sie starren mich höchst ungehörig an, mein Herr!«
brachte sie trotz des heftigen Aufruhrs in ihrem Innern hervor.
Ich weiß«, erwiderte er ruhig, mit breitem Lächeln.
Als Kavalier machte er sie nicht darauf aufmerksam, daß auch sie ihn anstarrte. Außerdem genoß er es, sie einfach zu beobachten. Worte waren überflüssig, obwohl ihre heisere Stimme seine Haut prickeln machte.
Anthony Malory war völlig fasziniert. Er hatte sie gesehen noch bevor sie herauskam. Er hatte Reggie durch das
nächstgelegene
Fenster
im
Auge
behalten,
und
plötzlich war dieser schlanke, in Satin gehüllte Rücken in sein Blickfeld geraten. Und dieses Haar! Die herrliche rotgoldene
Farbe
hatte
sogleich
seine
Aufmerksamkeit
erregt. Als sie dann plötzlich wieder in der Menge unter-getaucht war, hatte er sogar allen Ernstes erwogen, den Saal zu betreten, nur um das Gesicht zu sehen, das zu diesen prächtigen Haaren gehörte.
Aber gleich darauf war sie herausgekommen, und er hatte sich wieder an die Bank gelehnt und geduldig abge-wartet. Als sie sich duckte und um die Tür spähte, war er durch
den
Anblick
ihres
scharf
konturierten
Gesäßes
reich
belohnt
worden.
Unwillkürlich
hatte
er
gegrinst,
wahrend er dachte: Süße, du ahnst ja nicht, wie einladend du wirkst!
Er hätte fast laut aufgelacht, aber plötzlich richtete sie sich auf, so als hätte sie seine Gedanken gelesen, und ließ ihre Blicke über die Terrasse schweifen. Als sie in seine Richtung schaute, glaubte er schon, entdeckt worden zu sein. Und dann rannte sie zu seiner größten Überraschung direkt auf ihn zu, und er sah endlich ihr Gesicht, das atemberaubend schön war, doch im nächsten Moment, als sie in den Lichtstreifen dicht vor der Bank trat, Erstaunen
und
Verwirrung
widerspiegelte.
Er
begriff,
daß sie nicht auf ihn zugerannt war, daß sie ihn erst jetzt gesehen hatte.
Es amüsierte ihn, die verschiedenen Emotionen an ihrem
bezaubernden
Gesicht
abzulesen.
Neugier,
Verle-
genheit, aber keine Furcht. Ihr Blick schweifte langsam an ihm empor, und er fragte sich, wieviel sie wohl erkennen konnte. Vermutlich ziemlich wenig, nachdem sie im Licht und er im Schatten stand.
Es wunderte ihn, daß sie nicht sofort weggerannt oder in Ohnmacht gefallen war und auch sonst nichts von jenen albernen Dingen tat, mit denen man bei einer wohl-behüteten Debütantin nun einmal ständig rechnen muß-
te. Unwillkürlich überlegte er, warum sie sich so völlig anders verhielt als jene Unschuldslämmer, um die er einen weiten Bogen machte. Die Erkenntnis versetzte ihm einen Schock: sie war nicht so jung wie die anderen Mädchen, jedenfalls nicht zu jung für ihn. Folglich war sie für ihn auch nicht tabu.
Hatte er ihre Schönheit bisher nur als Kenner gewürdigt, so schoß ihm nun sofort der Gedanke durch den Kopf, daß es nicht beim bloßen Schauen bleiben mußte, daß sie eine Frau auch zum Anfassen sein könnte. Und dann ging im oberen Stockwerk ein Licht an, und sie starrte ihm unverwandt ins Gesicht, sichtlich fasziniert.
Nie zuvor war er so glücklich gewesen, daß Frauen ihn attraktiv fanden.
Eine Frage drängte sich ihm plötzlich auf: »Wer paßt hier auf Sie auf?«
Roslynn zuckte zusammen, als sie nach dem langen Schweigen wieder seine Stimme hörte. Sie wußte genau, daß sie sich schon nach den ersten Worten, die sie ge-tauscht hatten, hätte zurückziehen müssen. Statt dessen war
sie
wie
angewurzelt
stehengeblieben,
außerstande,
ihre Augen von ihm zu wenden.
»Wer auf mich aufpaßt?«
»Ja. Zu wem gehören Sie?«
»Ach so... Zu niemandem.«
Anthony lächelte belustigt. »Vielleicht sollte ich meine Frage anders formulieren?«
»Nein, ich habe Sie durchaus verstanden, und Sie haben meine Antwort gehört. Wissen Sie, mein Großvater ist unlängst gestorben. Ich habe bei ihm gelebt. Jetzt ha-be ich niemanden mehr.«
»Doch, Sie haben mich.«
Die sanften Worte versetzten ihr einen Stich, obwohl ihr Herz unwillkürlich schneller schlug. Oh, was hätte sie nicht darum gegeben, ihn zu haben! Aber sie war so gut wie sicher, daß er etwas ganz anderes meinte als das, was sie heiß ersehnte, und daß sie eigentlich schockiert sein müßte. Aber sie war weder schockiert, noch verlegen. Einem Mann wie ihm kamen solche Worte eben ganz leicht über die
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