Malory
Erfolge bei den Herren der vornehmen Gesellschaft so sehr, als wären es ihre eigenen, und sie konnte es nicht lassen, Roslynn unter die Nase zu reiben, daß sie ihr das von Anfang an prophezeit hatte.
»ich glaube dir«, seufzte Roslynn. »Aber wie soll ich unter so vielen Männern jemals eine Wahl treffen?«
Frances zog sie etwas beiseite, um sie zu ermahnen:
»Du brauchst keinen von ihnen zu wählen. Himmel, die Jagd hat für dich doch eben erst begonnen. Es gibt genug Heiratskandidaten, die du noch gar nicht kennengelernt hast. Du willst dich doch nicht blindlings in die Ehe stürzen, oder?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Ich habe nicht die Absicht, einen völlig Wildfremden zu heiraten. Das heißt, im Grunde wird er natürlich ein Unbekannter für mich sein, aber ich will vorher soviel wie möglich über ihn herausfinden. Ich will über meine Beute einigermaßen Bescheid wissen, um keinen Fehler zu begehen.«
»Beute!« Frances rollte dramatisch mit den Augen. »Ist das dein Ernst?«
Roslynn seufzte wieder. »Ach, ich weiß nicht, Frances.
Die ganze Sache hat etwas so Kaltblütiges an sich, speziell, da noch kein einziger der Herren, die ich bisher kennengelernt habe, mich auch nur im geringsten interessiert. Ich kaufe mir einen Ehemann. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und es sieht nicht so aus, als würde ich ihn besonders schätzen, wenn ich mir die bisherigen Exem-plare so ansehe. Aber wenn er nur den übrigen Kriterien entspricht...«
»Unsinn!« fiel Frances ihr streng ins Wort. »Du gibst auf, kaum daß du dich auf die Suche gemacht hast. Warum bist du plötzlich so deprimiert?«
Roslynn schnitt eine Grimasse. »Sie sind alle so jung, Frances! Gilbert Tyrwhitt ist höchstens zwanzig, und Ne-ville Baldwin kann nicht viel älter sein. Der Graf ist in meinem Alter, und Lord Bradley ist einige Jahre älter, be-nimmt sich aber wie ein unreifer Schuljunge. Die zwei anderen sind auch nicht viel besser. Verdammt, ich komme mir in ihrer Gesellschaft uralt vor. Aber Großvater hat mich gewarnt. Er sagte, ich solle nach einem älteren Mann Ausschau halten, aber wo sind sie? Und wenn du mir jetzt erklärst, sie seien alle schon vergeben, schreie ich!«
Frances mußte lachen. »Ros, du hast es einfach viel zu eilig. Es ist durchaus eine ganze Anzahl distinguierter Herren
anwesend
-
Witwer
und
einige
eingefleischte
Junggesellen,
die
aber
rasch
anderer
Meinung
werden
könnten, wenn sie dich kennenlernen. Aber ich werde dich wohl auf sie aufmerksam machen müssen, denn sie sind zweifelsohne von diesen jungen Heißspornen eingeschüchtert, die dich umschwärmen. Die Älteren fühlen
sich
dieser
Konkurrenz
einfach
nicht
gewachsen.
Wenn du also einen reiferen Mann haben willst, wirst du den armen Kerl irgendwie ermutigen, ihm zu verstehen geben müssen, daß du interessiert bist - na ja, du weißt schon, was ich meine.«
»Du lieber Himmel, Frances, du brauchst doch nicht rot zu werden! Es macht mir nichts aus, die Initiative zu ergreifen. Ich bin sogar darauf eingestellt, meinen Fall offen
darzulegen
und
meinerseits
den
Heiratsantrag
zu
machen. Und du brauchst gar nicht so ungläubig die Brauen zu heben. Du weißt, daß ich es ernst meine, und wenn es sein muß, werde ich es tun.«
»Das glaube ich einfach nicht. Du würdest dich bestimmt genieren.«
»Unter normalen Umständen, ja. Aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich habe einfach nicht die Zeit, mir um-ständlich den Hof machen zu lassen, und noch weniger habe ich die Zeit, um untätig herumzusitzen und auf den richtigen Mann zu warten. Also zeig mir die in Frage kommenden reiferen Herren, und ich sage dir dann, welchen ich vorgestellt werden möchte. Von diesem jungen Gemüse habe ich jedenfalls erst einmal genug.«
»Also gut«, erwiderte Frances und ließ ihre Blicke unauffällig durch den Saal schweifen. »Dort drüben, neben den Musikern, der Große. Mir fällt im Augenblick sein Name nicht ein, aber er ist Witwer und hat zwei Kinder
- nein, ich glaube, drei. Er muß einundvierzig oder zweiundvierzig sein, und soviel ich weiß, ist er ein sehr sympathischer Mensch. Er hat ein großes Gut oben in Kent, wo seine Kinder leben, aber er selbst zieht die Großstadt
vor.
Entspricht
er
mehr
deinen
Vorstellun-
gen?«
Roslynn grinste über Frances' unverkennbaren Sarkasmus. »Oh, er ist nicht übel, gar nicht übel. Silbergraue Schläfen gefallen mir. Wenn ich schon auf Liebe verzichten soll, muß ich wenigstens auf
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