Malory
denn jene Nase blutete inzwischen heftig, ebenso
wie der geschwollene Mund darunter und eine aufgerissene Braue darüber.
»Nicht dein Geschmack, Cully?« grinste William, als er das grün verfärbte Gesicht seines Freundes sah. »Stell dir vor, seinem Partner gefällt's auch nicht, jedenfalls heute nicht.« Er kicherte, weil er seine Bemerkung für komisch hielt. »Na ja, da müßte schon Knighton mit ihm in den Ring steigen, damit es wenigstens was zu wetten gäbe.
Er hat ihn trainiert, mußt du wissen. Besiegt hat er ihn in den letzten zehn Jahren allerdings nicht mehr, wie ich gehört habe. Aber Malory ist jetzt schon etwas abgekämpft, und da hätte Knighton vielleicht doch gewisse Chancen.«
In diesem Augenblick gab Sir Anthony Malory seine Boxstellung auf und wandte sich dem Besitzer der Sporthalle zu. »Verdammt, Knighton, ich hab' dir doch gesagt, daß er noch nicht soweit ist. Er hat sich vom letzten Mal noch nicht erholt.«
John Knighton zuckte mit den Schultern, aber seine dunklen Augen funkelten amüsiert, während er den em-pörten Boxer betrachtete, mit dem er befreundet war.
»Wenn
Eure
Lordschaft
zur
Abwechslung
mal
jemand
anderen gewinnen ließe, würden sich vielleicht leichter Gegner finden lassen.«
Viele der Anwesenden lachten über diese Bemerkung.
Alle wußten, daß Malory seit zehn Jahren keinen Kampf mehr verloren hatte, ja nicht einmal in einigen Runden unterlegen
war.
Er
war
in
hervorragender
Kondition,
muskulös
und
durchtrainiert;
noch
bemerkenswerter
war aber sein schnelles Reaktionsvermögen im Ring -
deshalb forderte ihn auch nie jemand heraus. Knighton hätte viel darum gegeben, ihn für einen professionellen Kampf zu gewinnen. Aber für einen Lebemann wie Malory war Boxen nur ein Hobby, um fit zu bleiben, ein Ge-gengewicht
zu
seinen
Ausschweifungen.
Er
trainierte
dreimal wöchentlich in Knighton's Hall, aber ausschließ-
lich zu seinem eigenen Vergnügen, so wie er auch seine Morgenritte im Park genoß.
Mehrere
Dutzend
Herren
standen
um
den
Boxring
herum. Etwa die Hälfte von ihnen war ebenfalls aktiv und wartete darauf, mit dem Training an die Reihe zu kommen. Andere - wie der Ehrenwerte Fairfax - kamen nur zum Zuschauen vorbei und schlossen gelegent-lich kleine Wetten ab. Meistens kreuzten auch einige Freunde Malorys auf, um zu sehen, wie er seine un-glückseligen Gegner k.o. schlug; sie waren aber klug genug, nicht selbst mit ihm in den Ring zu steigen.
Einer von ihnen zog Anthony jetzt auf. Lord Amherst, fast so groß wie sein Freund, aber hagerer, war ein Teu-felskerl mit fröhlich funkelnden grauen Augen und blonden Haaren, im Gegensatz zu dem dunkelhaarigen Malory. Die beiden Herren waren gleichaltrig und hatten gleiche
Interessen,
hauptsächlich
Frauen,
Glücksspiel
und nochmals Frauen.
»Um zu einem ebenbürtigen Gegner zu kommen, Malory, müßtest du wohl einem jungen Korinther deiner Größe und Statur die Hörner aufsetzen und ihn zwingen, dich zum Zweikampf zu fordern.«
»Bei
meinem
üblichen
Glück«,
konterte
Anthony,
»würde er mich statt dessen zu Pistolen fordern - und wo bliebe dann der Spaß?«
George
Amherst
lachte
über
diese
trockene
Bemer-
kung, denn wenn auch nicht jeder wußte, daß Malory im Ring unschlagbar war, so genoß er doch den Ruf eines unvergleichlichen Schützen. Er war dafür bekannt, daß er bei Duellen die Herausforderer ganz lässig fragte, in welchen Körperteil sie getroffen zu werden wünschten, woraufhin
den
Ärmsten
verständlicherweise
die
Knie
schlotterten.
Soviel George wußte, hatte Anthony noch nie jemanden im Duell getötet, denn bei einem Weiberhelden wie ihm ging es dabei fast immer um Frauen, und er war der festen Überzeugung, daß es sich für keine Frau zu sterben lohnte - selbstverständlich mit Ausnahme jener seiner Familie. In bezug auf seine Familie war Malory verdammt
empfindlich.
Obwohl
er
selbst
ein
überzeugter
Junggeselle war, fehlte es ihm dank dreier älterer Brüder nicht an Nichten und Neffen, in die er vernarrt war.
»Suchst du einen Trainingspartner, Tony? Du hättest deine Dienerschaft nach mir suchen lassen sollen. Du weißt doch, daß ich dir immer gern einen Gefallen tu.«
George wirbelte auf dem Absatz herum, denn er traute seinen Ohren kaum, als er eine Stimme vernahm, die er seit zehn Jahren nicht mehr gehört hatte. Gleich darauf hob er die Brauen, denn er hatte sich nicht verhört. Auf der Schwelle stand James Malory,
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