Maltas Geheimnis
so. Wir beide gäben kein gutes Gespann ab, dazu müsstest du erst noch etwas singen lernen – oder zumindest wenigsten hin und wieder einen Ton treffen.«
Das hatte sie jetzt eigentlich nicht sagen wollen – es tat ihr sofort leid – aber es war schon zu spät.
»Leck mich«, zischte ihr Julia zu, erhob sich ungestüm und verließ den Raum.
Alisha zuckte nur mit den Schultern. Sie war ganz froh, jetzt alleine zu sein. Unentwegt schaute sie von ihrer Armbanduhr zur Tür.
Am Abend spielte sie den Gästen etwas auf dem Klavier und einige Stücke mit der Geige vor. Der anhaltende Applaus war die einzige Ablenkung. Als sie weit nach Mitternacht ins Bett ging, bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie in der Lobby gesessen und auf den Eingang gestarrt, lag sie noch stundenlang wach. Spät in der Nacht hörte sie Julia das Nachbarzimmer betreten und mehrmals lautstark lachen. Am liebsten wäre sie nach nebenan gegangen – aber sie ließ es sein.
In den Morgenstunden wachte sie schweißgebadet auf. Sie hatte Albträume gehabt. Monster, einstürzende Gänge, tiefe, dampfende Abgründe und dazwischen dunkle Augenpaare und immer wieder hatte sie Axel und Jens von den Felsen ins Meer stürzen oder in einer einbrechenden Höhle begraben gesehen. Es war der reinste Horrortrip gewesen.
Sie stand früh auf, frühstückte lustlos und verbrachte die meiste Zeit in der Hotellobby. Einige Male überquerte sie, die vor dem Hotel entlanglaufende Küstenstraße und lief einige Meter am Strand entlang. Aber auch das brachte keine Entspannung für ihre Nerven. Sie sagte sich zwar, dass es Axel und Jens am Vortag bestimmt nicht mehr geschafft hatten, rechtzeitig vor Anbruch der Dunkelheit wieder am Höhlenausgang zu sein und dass sie deshalb aus Sicherheitsgründen den Aufstieg verschoben hatten. Das war ja nur vernünftig. Sie hielt es auch für sehr wahrscheinlich und typisch für die Beiden, dass sie dann eben auch noch den heutigen Tag zum Erforschen der Höhle nutzten – waren sie doch ohnehin schon zu spät dran – aber dann, am Abend, würden sie pünktlich vor dem Abendessen zurück sein. Und bestimmt funktionierte das Handy von dort aus grundsätzlich nicht – fehlende Sendemasten und so… An diesem Abend würden sie bestimmt mit einem unschuldigen Grinsen auf dem Gesicht wieder auftauchen.
Als dieser Zeitpunkt fast erreicht war, Alisha aber immer noch kein Lebenszeichen von den Beiden erhalten hatte, geriet sie allmählich in Panik. Sie begann Julia zu suchen und entdeckte sie im Fitnessraum des Hotels. Gleich zwei jüngere Männer schienen sich darum zu bemühen, ihr die Funktion eines Laufbandes zu erklären, einige ältere Gäste schienen dieses Schauspiel zu genießen.
»Als gäbe es da was zu erklären«, kochte es in Alisha hoch. »Um ihren Freund Jens scheint sie sich nicht eine Sekunde Gedanken zu machen.«
Sie spürte, wie eine innere Wut ihre Angst um Axel und Jens zu überlagern begann.
»Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass Axel und Jens immer noch nicht zurück sind?«, brüllte sie in den kleinen Raum.
Die Köpfe der Anwesenden zuckten zur ihr herum. Lachend antwortete ihr Julia, weiter auf dem Laufband locker laufend »Nein, warum auch? Von mir aus können die Beiden noch tagelang an irgendwelchen Wänden herumhängen oder irgendwelche Höhlen erforschen.«
Alisha war geschockt von dieser Aussage. War sich diese Pute denn nicht darüber im Klaren, dass etwas Schreckliches geschehen sein konnte? Wie konnte man nur so gedankenlos, so gefühllos sein?
Sie machte die wenigen Schritte zum Laufband, stieß einen der beiden jungen Gockel zur Seite und schaltete das Band aus »Verdammt! Fang doch mal an nachzudenken. Die Beiden können verunglückt sein!«
Sie hätte Julia am liebsten vom Laufband herunter gezerrt. Das war aber nicht mehr notwendig: Ihre Kontrahentin verließ von alleine das Laufband, zog sich das nass geschwitzte Stirnband vom Kopf und brüllte nun ebenfalls »Du gehst mir langsam auf den Keks, du intelligenzüberladenes Mauerblümchen. Es ist mir scheißegal, wie lange die Beiden da draußen herumtoben. Ich hab den Kanal längst voll. Ich mach ab jetzt das, was mir Spaß macht. Ist das klar!«
Ohne noch nachzudenken, schlug Alisha zu. Sie traf Julia mit der Faust im Gesicht – und im gleichen Augenblick tat es ihr auch schon unheimlich leid. Sie verstand sich selbst nicht mehr und wollte sich sofort entschuldigen, als Julia sie an den Haaren zu ziehen begann, auf sie einschlug und auf
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