Maltas Geheimnis
und blieb unmittelbar am Eingang stehen.
Sie schämte sich etwas, als sie spürte, dass sie sich freute, dass dieser Mann dort auf sie wartete. Sie fand es albern und kindisch, dass sie es genoss, ihn noch warten zu lassen – aber sie konnte es trotzdem nicht verhindern.
Als es schon fünf Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt war, machte sie kehrt, ging flott um den kleinen Häuserblock herum und näherte sich dann von einer anderen kleinen Gasse her dem Eingang zur Höhle. Sie registrierte mit Genugtuung, dass sich der Gesichtsausdruck Rauls von sichtlich verärgert zu einem strahlenden Lächeln veränderte.
»Na, kann ich wirklich mitkommen … oder hast du nur große Sprüche geklopft?«, schmetterte sie ihm so gleichgültig und selbstsicher wie nur möglich entgegen. »Wenn die Höhlen nicht wirklich interessant wären, wäre ich bestimmt nicht gekommen.«
Das Lächeln blieb auf seinem Gesicht.
»Es ist alles geregelt und du musst auch nichts bezahlen.«
»Sooo?! Wie teuer wär´s denn gewesen?«
»Ziemlich teuer. Aber du kannst mich ja nach der Führung zu einem Bier einladen, wenn es dir die Sache wert war.« Er grinste verschmitzt. »Und jetzt komm, meine Gruppe wartet schon. Lass bitte die zahlende Kundschaft vorne gehen und schließ dich hinten an.«
Die letzten Worte sprach er so hastig und halb im Gehen, dass sie merkte, dass er es wirklich eilig hatte. Deshalb folgte sie ihm wortlos.
Sie hatte schon diverse Bilder der Höhlenanlage gesehen, was sie nach einer kurzen Videoschau, die alle Besucher zuerst über sich ergehen lassen mussten, aber sah, übertraf ihre Vorstellungskraft bei weitem. Es ging zuerst eine schmale Stahlgittertreppe weit nach unten - die Ausmaße der Räume kamen ihr gigantisch vor.
.«… wurden erst 1899 entdeckt«, hörte sie lautstark Raul in leicht verfälschtem Englisch erklären, »als ein reicher Kaufmann sein Stadthaus errichten wollte.«
Ja, das hatte sie auch so gelesen. Und die Anlage war vor ungefähr 4500 bis 5200 Jahren vermutlich als Kultstätte, mit Sicherheit aber als Begräbnisstätte erbaut beziehungsweise in den Stein gehauen worden.
.«… wurden fast 7000 Skelette gefunden, die teilweise zusammen mit einer interessanten Figur, der »Schlafenden Dame« hier auf Malta im Archäologischen Museum zu besichtigen sind. Ich kann Ihnen den Besuch in diesem Museum nur sehr empfehlen, meine Damen und Herren, er lohnt, er lohnt, er lohnt«, warb Raul fast marktschreierisch.
Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, trotz der gruseligen Umgebung. Die Säle waren nur sparsam, schummrig ausgeleuchtet und wirkten daher noch gewaltiger, als sie in Wirklichkeit waren. Das bräunliche Patina, die Wandmalereien und die Höhe der Gewölbe waren beeindruckend. Die Nischen und Kammern, die damals vermutlich den Toten oder den Vorräten der Lebendigen gedient haben mochten, wurden mit Strahlern punktuell, matt angeleuchtet, und das nur so lange, wie ihnen etwas erklärt wurde. Dann erloschen sie wieder. Man konnte leider nie auch nur in die Nähe solcher Nischen oder in die kleinen Räume hineingehen. Und gerade das hätte sie doch so interessiert. Es ging immer auf einem ganz schmalen Weg im Gänsemarsch hinter Raul her und nur an wenigen, besonderen Plätzen konnte man sich sammeln und dem Vortrag lauschen. Dann ging es auch schon wieder weiter.
So sehr sie auch suchte und spähte, es schien keine weiteren, tiefer ins Innere gehende Gänge zu geben – mit absoluter Sicherheit konnte sie das allerdings nicht sagen, denn es gab auch zu viele, nicht beleuchtete, dunkle Stellen in der Höhlenanlage.
Die Zeit war wie im Fluge vergangen, als sie Raul nach etwa 50 Minuten sagen hörte: »… ich hoffe es hat Ihnen gefallen und denken Sie an meinen Tipp: Besuchen Sie das Archäologische Museum von Malta!«
Die Führung war zu Ende - Sie waren wieder oben. Alisha bekam mit, wie einige der Besucher ihrem Führer etwas in die Hand drückten. Mit einem offenen, charmanten Lächeln nahm dieser es entgegen. Als sie endlich allein vor dem Eingang zur Höhle standen, wandte er sich ihr zu »Hat´s dir gefallen? War´s ein Bier wert?«
Alles hatte ihr gefallen, nicht nur das Hypogäum, wenn sie auch nicht das herausbekommen hatte, was sie hatte wissen wollen. Aber vielleicht…?
»Ich würde sagen, das war nicht nur ein Bier wert, sondern sogar ein ganzes Fass. Da dafür aber mein Geld nicht reichen würde, lade ich dich zu einem Imbiss ein.«
Ja, das hatte sie gut
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