MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
Hotel entfernt. Auf dem Weg dorthin fasste Sebastian für seine Schwester zusammen, was er und Adrian vorhin in Vistahermosa und Montesión erlebt hatten. Gerade als er seinen Bericht beendet hatte, erreichten sie den versteckt gelegenen Eingang zum Museum in einem kleinen Gang auf der rechten Seite des Hauses.
Adrian klopfte. Im Obergeschoß rumpelte es heftig. Adrian klopfte noch einmal.
Dann öffnete ein Mann.
Violetta betrachtete ihn und schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Sie fand, dass er abgrundtief hässlich war. Eine tiefe Narbe zog sich quer über seine rechte Wange. Die faltige Lederhaut war ungepflegt und gab der winzigen Nase den Anschein, als wäre die nur eine weitere Unreinheit in dem verwitterten Gesicht. Auch der Blick des Mannes bereitete Violetta Unbehagen. Er schielte stark, und die rechte Pupille verschwand fast im inneren Augenwinkel. Besonders abstoßend erschien ihr eine dunkelgelbe Verfärbung mit tintenartigen Flecken, wo eigentlich das reine Weiß des Augapfels vorherrschen sollte. Violetta bemerkte an den Blicken, dass Adrian und Sebastian wohl ähnlich empfanden.
Der Mann streckte Violetta eine schmutzige Hand entgegen und zog dabei die Oberlippe so weit zurück, dass die Haut sich bedenklich spannte und zwei Reihen schwarz-gelber Zähne entblößte, deren Zahnhälse freilagen.
Sebastian wandte den Blick ab.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Mann.
„Professor Comarra von der Universität Sevilla hat uns angemeldet“, sagte Violetta.
„Natürlich, Professor Comarra! Wir haben uns vor einiger Zeit in Sevilla getroffen. Ich bin José Cariolós.“
Die Besucher stellten sich vor.
„Ich führe Sie durch mein Haus. Leider kann ich nur wenig reden. Ich leide unter schlimmen Zahnschmerzen und habe morgen eine Operation.“
Alle schwiegen.
Adrians Handy piepste. Er las die eMail. Comarras Assistent bestätigte, dass die gefaxte Zeichnung ein Abbild des Ursprungsmodells der Tatwaffe darstellte. Außerdem bat er darum, Comarra diesbezüglich zu kontaktieren.
Sie betraten das Erdgeschoss und entdeckten zuerst ein Klimagerät, das Luftfeuchtigkeit und Temperatur in den Räumen elektronisch regulierte. Sebastian kannte sich damit aus. Anschaffung und Betrieb solcher Anlagen waren teuer und nur mit der Besessenheit des echten Kenners zu erklären. Die Deutschen bewunderten die Vielzahl uralter Zeichnungen, Messer und Dolche in den Glasvitrinen. Darunter befanden sich nicht nur Waffenabbildungen, vielmehr zeigte der Sammler auch eine Vorliebe für Gegenstände, die zur Waffenherstellung benötigt wurden. Zahllose Darstellungen von Hämmern, Zangen, Ambossen, Gesenken, Stempeln, Pressen und sonstigem Gerät wurden präsentiert. Ein besonders eindrucksvolles Exponat, ein riesiger Amboss, stand neben dem Treppenaufgang zum ersten Stock.
„Ist das ein historisches Exemplar?“, fragte Adrian.
José Cariolós antwortete tonlos: „Ja, ein restauriertes Original.“ Mit schmerzhaftem Gesichtsausdruck deutete er auf seinen Oberkiefer.
Die Exponate im oberen Stockwerk waren den Menschen der Schmiedezunft gewidmet. Cariolós stieg als Erster die Treppe hinauf, Sebastian als Letzter. Dabei bemerkte dieser eine goldene Plakette auf der Rückseite des alten Ambosses und prägte sich die Telefonnummer ein.
Oben betrachteten sie Zeichnungen von Menschen, die im Lauf der Jahrhunderte dem Handwerk ihr Leben gewidmet, oder sich aufgrund besonderer Fertigkeiten einen Stammplatz in der Sammlung verdient hatten.
Sebastian zeigte Cariolós das Bild. „Gibt es hier Informationen zu dieser Waffe?“
Cariolós schaute die Kopie kurz an und schüttelte den Kopf. „Eine solche Waffe ist mir noch nicht untergekommen. Sie stammt nicht einmal aus Spanien.“
Adrian und Sebastian blickten sich überrascht an. Violetta befand sich am hinteren Ende des Raums und steuerte auf eine Tür zu. Davor lag ein umgekippter Hocker und etwas, das aussah wie der Rest eines Siegellackbarrens. Flüssiger Lack war über den Boden gelaufen und bis unter die Tür gesickert.
„Ein kleines Missgeschick. Ich habe gerade experimentiert, bis Ihr Klopfen mich aufgeschreckt hat“, erklärte Cariolós.
Davon könnte das Rumpeln hergerührt haben, das ich vorhin gehört habe, dachteVioletta.
„Befinden sich hinter dieser Tür noch weitere Ausstellungsstücke?“, fragte Sebastian.
„Nein!“, sagte Cariolós schroff und baute sich mit verschränkten Armen vor der Tür auf. „Wir sind am Ende der Ausstellung
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