MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
nicht das Recht, Herr über Leben und Tod zu sein.“
„Warum sprecht Ihr so zu mir? Was habe ich Euch getan?“
„Hört auf, mich mit Eurem Elfengesang zu täuschen!“
„Elfengesang? Ja …“, ihre Stimme sang noch süßlicher, „ja, ich bin eine Elfe …“
Der fast kindliche Tonfall traf ihn ins Mark. Er fragte sich, ob sie wahnsinnig geworden war. „Warum habt Ihr Euch die Unschuldigen, die Schutzbedürftigen für Eure perversen Gelüste ausgesucht?“
Einen Moment lang herrschte tiefe Stille.
„Schutzbedürftig? Unschuldig? Oh nein, das sind sie nicht, nein …“, säuselte es aus der Öffnung.
Ob sie in diesem Tonfall zu den Mädchen gesprochen hatte, die unter Todesqualen in der Blutpresse schrien? Der Singsang klang ein wenig so, als wäre die Gräfin Báthory der Welt entrückt und durchlebte fantastische Parallelwelten auf dem Weg zur Hölle.
„Sie waren nicht schutzbedürftig?“, fragte er harmlos.
„Nein!“, fauchte sie mit unerwarteter Kraft, um augenblicklich wieder in sanftem Ton fortzufahren: „Ich musste ihnen das Fluidum entreißen. Sie gaben mir ihre Jugend nicht freiwillig …“
„Welches Fluidum?“
„Ihr Saft ließ mich erblühen.“ In diesem Moment zerriss ein diabolisches Lachen die Stille. Dann sprach sie wieder in ihrem kindlich säuselnden Ton weiter, doch dieses Mal schwang tiefes Bedauern mit. „Ich habe es nicht geschafft …“ Die Gräfin schluchzte.
Er wartete einen Augenblick. „Was habt Ihr nicht geschafft?“
Im nächsten Augenblick ertönte durch die dunkle Maueröffnung der grässlichste Schrei, den er je gehört hatte.
„666.“
Braulio erbleichte. Die Zahl des Antichristen.
Aus der schmalen Öffnung ihres Gefängnisses hauchte die Blutgräfin leise: „Lasst mich heraus, ich muss es zu Ende bringen!“
Den starken Spanier fröstelte. „Dient Ihr so Eurem dunklen Herrn?“
Wieder erscholl das teuflische Lachen.
Braulio führte die Kerze an die Öffnung und zuckte zurück. Dahinter zeichneten sich die verzerrten Züge einer Irren ab. Gerötete Augen in einem totenbleichen Gesicht starrten ihn an. Fast hätte Braulio die Herrschaft über sich verloren, doch er packte den Stab, bevor die Wahnsinnige sich zurückziehen konnte. Mit einem kräftigen Stoß rammte er die Waffe durch den Schlitz und hörte, wie das Messer mit einem Knacken den Kopf der schlimmsten Massenmörderin durchstieß, die die Welt je gesehen hatte.
„Ossibus!“
Als er den Raum verlassen wollte, hörte Braulio ein Geräusch aus einer versteckten Nische neben der eingemauerten Gräfin.
Er zögerte.
Plötzlich schälte sich die schöne Gestalt einer jungen Frau aus dem Dunkel. Sie trug ein durchsichtiges Nachtgewand, und darüber eine zarte Lederweste. Die Schöne kam auf ihn zu. Dem Spanier stockte der Atem, als sie seine Hand nahm und sie auf ihre wohlgeformte Brust legte. Mit der zarten Stimme eines unschuldigen jungen Mädchens hauchte sie: „Fühlst du es?“
Eine Mischung aus Lust und Angst verwirrte Braulio Ostrogón so sehr, dass er nicht bemerkte, wie die Frau mit der anderen Hand
langsam nach der blutigen Spitze der Klinge tastete.
„Eszter Báthory?“ Schwer atmend stieß er die Frage zwischen den Zähnen hervor.
Die Frau nickte und zog Braulios Arm mit dem Messer langsam nach oben. „Es schlägt nicht mehr. Du hast mir gerade das Letzte genommen, was mir auf der Erde blieb“, sagte Eszter. Eine Träne lief ihr über die Wange und tropfte auf ihre Hand, die im selben Moment den Stab mit der Klinge emporriss.
Bevor Braulio Ostrogón etwas tun konnte, lag Eszter Báthory tot auf dem Boden. Aus ihrer Brust ragte der Holzstiel, den sie sich selbst in das kalte Herz gestoßen hatte.
„Ossibus!“
Als Braulio zu den anderen zurückkehrte, blickten ihn erwartungsvolle Gesichter an.
„Später!“, sagte er nur. „Nehmt den Hauptmann und tragt ihn in den Hof.“
Edoardo sorgte sich wegen der Veränderung, die in Braulio vor sich ging. Es war nicht allein der scharfe Befehlston. Sein Blick, seine Körperhaltung, die kaltblütige, überflüssige Ermordung des jungen Hauptmanns, das alles passte nicht zu dem Braulio, den er kannte. Er verstand nicht, wo der Grund für die beginnende Veränderung seines Freundes lag. Doch er fürchtete um ihn. Und um die ganze Gruppe.
„Dort hinein!“ Braulio wies auf den Brunnen. „Es soll so aussehen, als hätte der Mann sein einsames Los nicht länger ertragen und wäre davongelaufen. Man darf ihn nicht finden.
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