MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
die Gräfin bei Neumond ein Mädchen in ihrem riesigen Topf. Anschließend verschlang sie gierig das arme Kind …“
Er ließ den Alten gewähren und unterbrach ihn nicht. Schließlich brauchte er Informationen.
„Stellt Euch die unheimlichen Wolfsprozessionen vor“, fuhr der Ungar fort. Er schien nun richtig in Fahrt zu kommen. „Wenn im Januar der Todestag des Dominikus von Sora naht, kommen die Wölfe von überall her zum Schloss der dunklen Gräfin. Der Heilige war der Feind der Wölfe und hat die Menschen vor ihnen beschützt. Als Zeichen der Freude über seinen Tod führte Elisabeth Báthory die Prozession der Wölfe durch die Karpaten an. Ihr hexenhaftes Gegacker habe ich selbst gehört!“
„Das sind schwere Anschuldigungen, die Ihr erhebt. Sagt mir, nahm die Schwester der Gräfin teil an dem, was Ihr beschreibt?“
„Nein! Wir haben Sie oft zusammen gesehen, aber Eszter ist nicht verdorben. Nur die böse Elisabeth verrottet, eingemauert in ihrem Schlafzimmer.“
Jetzt war der Moment gekommen, auf den Edoardo gewartet hatte.
„Man hat sie zur Bestrafung eingemauert? In der eigenen Burg?“
„Ja.“
„Und niemand befreit sie?“
Der Alte spuckte angewidert aus. „Wer wollte die befreien? Warum sollte jemand ihr helfen?“
„Wie bekommt sie zu essen und zu trinken?“
„Ein Greis, der vor langer Zeit eine Schenke führte, bereitet unter
Aufsicht des Hauptmannes der königlichen Wache zwei Mahlzeiten am Tag für sie. Der Hauptmann schiebt es ihr durch eine winzige Öffnung.
„Ist der Hauptmann die einzige Wache?“, fragte Edoardo betont beiläufig.
„Da fragt Ihr am besten Krisztián.“
Der Angesprochene räusperte sich und blickte stolz um sich. „Mein Sohn ist der Hauptmann auf dem Schloss.“
„So nehmt meine Bewunderung entgegen für die Ehre, die Euer Sohn den Seinen bringt.“
„Ihr müsst wissen, dass er im nächsten Jahr an den Königshof ins Leibregiment berufen wird.“ Krisztián platzte beinahe vor Stolz.
„Sein Dienst im Schloss ist einsam, und er langweilt sich sehr.“
„Das muss schwierig sein!“
„Ja, gerade für einen so starken jungen Burschen.“ Der Alte zog genüsslich an der frisch gestopften Pfeife. „Er hat mir erzählt, dass sie ein paarmal versucht hat, mit ihm zu reden. Doch er ist zum Schweigen verpflichtet. Die einsamen Nächte verbringt er vor der Tür der Gräfin. Alle zwei Wochen wird er abgelöst. Nächste Woche ist es wieder so weit.“
„Wo lebt die Jüngere?“
„Im Zimmer neben der Eingemauerten“, sagte der Alte.
Düster und mächtig ragte die Burg auf, als vier Männer sich den Weg durch den nebligen Steilpfad hinauf zu den Schwestern bahnten. Die Nähe des Grauens erstickte nun die
Erinnerungen an den ersten Anblick der weißen Zinnen. Hoch ragte der mächtige Burgturm in den dunklen Himmel, wie ein drohender Zeigefinger.
Die von der Hitze der letzten Tage vertrockneten Zweige knackten immer wieder unter ihren Schritten. Je näher sie kamen, umso drohender wirkte die Feste. Es kam ihnen so vor, als wollte das Innere der Burg sich über sie stülpen und sie verschlingen, als sie langsam die zinnenbesetzten Wehrmauern des riesigen Bauwerks erkannten. Bei voller Bewachung war ein Eindringen nicht möglich, überlegte Edoardo. Die steilen Mauern konnte man bezwingen, doch oben angekommen, würde man schnell entdeckt. Zum Glück mussten sie keine Gegenwehr befürchten.
Als sie die Steile beinahe überwunden und den äußeren Befestigungsring erreicht hatten, fragte Braulio: „Hat Tommaso den Stab vorbereitet?“
Tommaso war der geübteste Kletterer der Gruppe und erfahren im Bearbeiten von Holz. Deshalb hatte man ihn dazu bestimmt, passendes Holz auszusuchen, es zuzuschneiden und auf dem steilen Weg zur Festung mitzunehmen.
„Ja, ist bereits von mir geprüft! Gestern habe ich das Reh damit erlegt.“
Schließlich gelangte die Gruppe an die linke Seite des mächtigen Portals. Die stählernen Zähne des hochgezogenen Eingangstors bleckten aus der schwarzen Höhle des Ganges, der zum Innenhof führte. Vorsichtig schlichen sie ins Dunkel. Keine Laterne erhellte den Weg, selbst die Sterne weigerten sich, Licht für den Furcht einflößenden Ort zu spenden. Endlich kamen sie in den Hof, wo die Marter der Jungfrauen stets ihren Anfang genommen hatte. Beim Anblick der hohen Mauern ringsum, die dem Hof die Anmutung einer unheiligen Kathedrale verliehen, musste sich Beklemmung über die jungen Opfer gelegt haben, selbst wenn
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