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MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)

MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)

Titel: MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Jösch
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Edoardo die Strukturen der Organisation und der Handelsgeschäfte in seinem Sinne mitgeformt und weiterentwickelt hatte, musste nun ein anderer Wind wehen, damit der Schwur in die Zukunft getragen und eines glücklichen Tages seine Erfüllung finden konnte.
    Am Morgen war die Unruhe groß.
    „Wieso ist er gegangen?“
    „Bin ich euch eine Erklärung schuldig?“, blaffte Braulio die Kameraden an.
    „Nein. Aber nach so langer Zeit, ohne sich zu verabschieden …“
    „Da seht ihr selbst, warum ich mich gestern mit ihm streiten musste. Sein schwacher Charakter! Seine Unentschlossenheit! Wenn wir langfristig erfolgreich sein wollen, dürfen wir nicht so sein wie er!“
    Die andern schauten unsicher umher.
    „Edoardo und ich haben uns heute Nacht lange unterhalten und beschlossen, dass es besser ist, wenn wir uns trennen.“
    „So plötzlich?“
    Braulio fuhr auf. „Schluss jetzt mit dem Geschwätz. Ihr macht, was ich sage! Wem das nicht passt, der kann gehen. Will jemand gehen?“
    Claudio stand zitternd auf. „Du weißt, ich habe viel mit Edoardo gearbeitet. Er hätte mir doch etwas gesagt, bevor er geht.“
    „Hast du nicht verstanden, Claudio? Antworte auf meine Frage, oder schweig!“, herrschte Braulio ihn an.
    „Aber …“ Der Gescholtene blieb hartnäckig.
    Wenig später brüllte Braulio: „Hau ab, ich will dich nie mehr sehen!“
    „Aber … aber ich lebe für meine Kameraden!“
    Braulio rannte zu ihm hin und stieß ihn zu Boden. „Verräter, Verräter!“, schrie er, und die anderen sahen entsetzt, wie er Claudio das Messer in die Brust stieß.
    Dann stellte er sich vor die Gruppe und sagte: „Jetzt setzt euch hin und hört mir zu!“
    Das Entsetzen über Braulios Tat wuchs, doch sie gehorchten der herrischen Geste.
    Braulio Ostrogón hielt eine flammende Rede. Mit drohendem Unterton beschwor er das Vergangene, Ignacios steinerne Botschaft und den Schwur, den sie alle geleistet hatten und jedes Jahr aufs Neue ablegten. Er verdeutlichte ihnen mit schrecklichen Bildern die gewaltigen Herausforderungen, die bis zur Erlösung geleistet werden mussten. Dass überall Feinde lauerten, die nur darauf warteten, dass sie eine Schwäche zeigten, damit sie sie vernichten konnten. Sie müssten von jetzt an härter und gnadenloser mit ihren Gegnern umgehen, oder sie würden selbst ausgelöscht.
    Fjodor Pawlowitsch Stroganow saß unter dem gleißenden Rot der warmen Dämmerung im Kreis der Seinen auf der Veranda des riesigen Landgutes bei Usolje. Sein Blick schweifte über grün bewaldete Hügel und schwenkte nach Osten, wo man die großen Lager erkennen konnte. Diese Lager füllte man mit Salz, das aus hochkonzentrierter Sole in der Fabrik nebenan gewonnen wurde. Anschließend gelangte es nach Europa, wo die Familie es zu fürstlichen Preisen verkaufte.
    Wer den Patriarchen dabei beobachtete, wie zärtlich er mit seinem einzigen Enkel Gerasim umging, der gerade auf seinen Schoß kletterte, spürte, dass er ein gütiger Großvater war. Fjodor Pawlowitsch blinzelte zufrieden ins dämmrige Licht, nickte seiner jüngsten Tochter liebevoll zu, der dreißigjährigen Tatjana Fjodorowna. Selten hatte Fjodor Pawlowitsch Zeit und noch weniger Muße, Augenblicke wie diese zu genießen. Heute war der letzte Tag einer Woche aus Feiern, Andenken und Behaglichkeit. So etwas gab es nicht mehr, seit dem seligen Alexander Alexandrowitsch Stroganow jener zukunftsweisende Durchbruch zur Gewinnung von Speisesalz durch Bohrlochsolung gelungen war, aus dem sie bis heute Nutzen zogen. Ihm verdankten sie den ungeheuren Reichtum, der ihnen, neben unermesslichem Grundbesitz in der Region, die Gunst der Zaren, wichtige Staatsämter, zukunftsträchtige Ländereien in Sibirien mit eigenen Befestigungsanlagen und nahezu völlige Handlungsfreiheit im Salzgeschäft eingebracht hatte.
    Damals bejubelten sie die großartige technische Neuerung. Heute war es eine große Familienfeier zum Dank für den zwei Jahrhunderte währenden Triumph der Familiendynastie.
    Alle waren der Einladung gefolgt, fast einhundertfünfzig Personen. Viele kamen aus Madrid, Berlin, London, Paris und anderen fernen Städten, wo blühende Vertretungen das einträgliche Handelsgeschäft vorantrieben.
    Am Vormittag hatten fast alle die Heimreise angetreten, frohgemut und in bester Stimmung. Nur seine vier Kinder und deren Familien blieben. So genoss der geliebte Patriarch, wie Tatjana Fjodorowna ihn gerne nannte, die letzten Stunden seltenen Müßiggangs, bevor morgen die

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