Man Down
im WC eines Restaurants in der Nähe des Bahnhofs, holte das Gras über die Grenze und brachte es nach München, ohne dass mich auch nur ein Bulle zu lange ansah.
Mit Bauchweh dachte ich daran, was Öcal und Ugi mit mir anstellen würden, wenn sie erfuhren, dass ich den Schweizer Bullen Burcaks Telefonnummer gegeben hatte. Vielleicht hätte ich einfach mit Burcak reden, sie vor einem möglichen Anruf aus der Schweiz warnen sollen, aber ich schämte mich. Erstens hatte sie mich vor all dem gewarnt, zweitens hatte ich sie so auf eine Art mit reingezogen. Nein, ich hielt besser meine Klappe und hoffte, die Schweizer Bullen würden keine Nachforschungen anstellen, schließlich wussten sie ja nichts von den Drogen, konnten sie ja nur Vermutungen anstellen. Ich hoffte, ich würde den beiden Bullen nicht noch einmal im Bahnhofsgebäude begegnen.
Die Lieferung war größer denn je. Es gab eine neue Clique von Medizinstudenten aus Magdeburg im Heim. Die Ossis kifften wie die Irren, viel exzessiver als der Rest. Sie waren fünf Abende in der Woche stoned und zwei Abende blau. Den Rest der Zeit verbrachten sie auf der Uni und büffelten.
Ich hatte mir geschworen, Marion aus dem Weg zu gehen, aber als ich am Weg zu Rugby an Zimmer 113 vorbeikam und sie lachen hörte, konnte ich nicht anders. Ich musste an die grüne Tür klopfen.
Nelly öffnete.
„Hey du“, sagte sie und hüpfte hinter die Tür. Nur ihren Kopf durfte ich sehen. „Wie geht’s?“
Ich zeigte ihr meine Zahnlücke.
„Cool“, sagte sie. „Warte nen Augenblick, ich bin nackt.“
Sie knallte die Tür vor meiner Nase zu, ich wartete minutenlang, ehe sie wieder aufging. Nelly war immer noch fast nackt, sie trug lediglich weiße Unterwäsche, die kaum was verdeckte. Marion saß in Shorts am Schreibtisch, ein Bein angewinkelt. Auf dem Tisch stand eine Tasse Kakao.
Sie hatte kurze Haare.
„Der Schläger ist zurück“, sagte sie, ohne mich anzusehen.
Sie hatte kurze Haare!
„Ich bin der, der geschlagen wurde.“
„Drei gegen einen ist hart.“
Die hatte sie nur wegen mir geschnitten.
Sie war braungebrannt wie immer, nicht solariumbraun, nicht künstlich braun, sondern sonnenbraun, und mit ihren kurzen Haaren sah sie fast ein bisschen wie ein Junge aus. Mein Herz schlug schnell und hart.
Für mich hatte sie das getan. Nur für mich.
„Wir waren bei dir im Krankenhaus“, sagte sie. „Aber das eine Mal warst du grade in irgendeinem Aufenthaltsraum Fußball schauen und wir konnten dich nicht finden, und das zweite Mal warst du schon wieder draußen.“
„Warum hast du nie angerufen?“
„Warum hast du nie angerufen?“, sagte sie. Sie stand auf, ganz cool kam sie auf mich zu, umarmte mich und küsste mich auf den Mund. Ich glaubte, ihr Körper müsste in meinen Armen dahinschmelzen, so heiß war er. „Wer waren die Kerle? Hat die Polizei was rausgefunden?“
„Der ist doch scheißegal, wer mich verdroschen hat.“
„Wer tut so was?“
„Wer tut so was nicht? Leute verprügeln ist Volkssport geworden. Man filmt sich und stellt’s ins Internet und lacht darüber.“
„Ich nicht. Ich finde das schrecklich“, sagte sie leise. Sie streichelte mir über den kahlen Kopf. „Du hast mir gefehlt.“
Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Ich war überrascht, ich war überrumpelt, ich hatte gedacht, sie hätte mich längst abgeschrieben.
„Heißt das, wir sind zusammen? So richtig offiziell?“
„ …“
„Klärt das mal“, sagte Nelly, schlüpfte in ein Kleid und öffnete die Tür, „ich lass euch sogar Zeit für nen Quickie.“
Rugby stand davor in seinem Schafsfell. Nelly schrie auf, knallte die Tür wieder zu und drehte den Schlüssel.
Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. „Okay“, sagte sie. „Darf ich mitmachen?“
„Du darfst duschen gehen“, sagte Marion.
Nelly ging zum Schrank, holte ein Handtuch heraus und verschwand im Bad.
Ich umarmte Marion, wir küssten uns, es war mehr ein Kämpfen als Küssen, sie biss mir in die Unterlippe, zweimal, dreimal, sie biss, bis ich Blut schmeckte.
„Ich sollte dir was sagen“, sagte sie leise.
„Dann tu’s.“
„Ich weiß nicht, ob du’s verstehst.“
„Dann lass es.“
Sie ging zum Schreibtisch, nahm drei Gläser von der Ablage und goss in jedes Glas weißen Wodka mit Orangensaft. Die Fenster waren undicht, man konnte den Föhnsturm riechen, der Wind blies durch die Ritzen.
„Was willst du mir gestehen?“, fragte ich, als sie mir ein Glas reichte und
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