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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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dabei meine Hand berührte. Sie legte eine CD in den winzigen CD -Player und starrte aus dem Fenster. Sie stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Fensterbrett ab. Im Bad plätscherte das Wasser und Nelly sang lautstark einen Robbie-Williams-Song.
    Ich zog Marions Shorts bis zu den Knien runter, sie trug eine weiße Unterhose. Ich knüpfte meine Levis auf.
    „ DROGENKONTROLLE !“, brüllte Rugby vor dem Zimmer und hämmerte gegen die Tür. „ AUSZIEHEN UND MIT ERHOBENEN HÄNDEN HERAUSTRETEN!“
    Marion drehte sich um. Sie zog ein Gesicht, als würde sie gleich losheulen.
    „Was ist denn los?“
    Sie zog ihre Shorts wieder hoch und knüpfte meine Jeans zu.
    „Er hat Ausziehen gesagt“, sagte ich.
    „Wir müssen reden.“
    Rugby brüllte weiter, gab dann aber auf.
    „Wir müssen reden, Kai.“
    „Ich will nicht reden.“
    Oh nein, ich wollte nicht hören, dass sie schwanger war oder Syphilis hatte oder nen andern liebte, ich wollte nicht hören, dass sie Precious _ 19 war, ich wollte das alles nicht wissen.
    Wir umarmten uns, hielten uns, eine Ewigkeit. Ich wollte nichts fragen. Nichts wissen. Es war doch gut so, wie es war. Schön so. Fick die Vergangenheit.
    Marions Handy klingelte. Als es nicht und nicht verstummen wollte, nahm sie ab, sagte hi , zog eine Grimasse und schimpfte nach einiger Zeit, die sie schweigend dem Anrufer zugehört hatte, ins Telefon: „Nein, nein, Mama, nicht die Polizei ist schuld. Er ist schuld! Er ist betrunken gefahren. Jetzt muss er sich eben einen neuen Job suchen. Nein, Mama, du wirst nicht Chauffeur spielen, auf keinen Fall. … Dann soll er sich eben ein Lokal in der Nähe suchen! Wehe, du … NEIN, MAMA, GENAU DAS WIRST DU NICHT TUN … NEIN … OH GOTT!“
    Ein Zettel lag auf der Ablage über ihrem Schreibtisch. Ein Zettel mit ein paar handgeschriebenen Zeilen. Ich nahm ihn und las das Gedicht:
    Geflogen
    bis zum
    fernsten Ort
    geblieben dort
    wo niemand stört
    wo alles meine
    Ordnung hat
    wo …
    Marion riss mir den Zettel aus der Hand, nahm das Handy vom Ohr und starrte es an. Dann knallte sie es auf ihr Bett.
    „Ärger?“
    „Mein Bruder“, sagte sie. „Mein …“ – sie schluckte ein böses Wort runter – „… Bruder .“
    „Hast du das geschrieben? Das Gedicht?“
    Sie starrte mich an. Boxte mich auf den Oberarm. „Mein Schreibtisch ist tabu. Mein Laptop ist tabu. Mein Handy ist tabu. Du kannst an meiner Unterwäsche schnüffeln, das ist mir egal, aber das hier sind meine Sachen, und um die berühren zu dürfen, bedarf es meiner Erlaubnis, okay?“
    „Du schreibst Gedichte?“
    „Und?“
    „Ich glaube nicht, dass viele Wirtschaftsstudentinnen Gedichte schreiben.“
    „Jetzt sag bloß nicht, dass du das pubertäre Gekritzel toll findest und ich eine große Dichterin bin. Sag gar nichts. Ich schreibe das nur für mich. Und du hast kein Recht, es zu lesen.“
    „Das hier ist traurig.“
    Sie nahm den Zettel, zerknüllte ihn und schmiss ihn hinter die Heizung. Ihr Gesichtsausdruck hielt mich davon ab, weiter zu fragen.
    „Gibt’s ein Problem mit deinem Bruder?“
    „Mein Bruder ist ein einziges Problem“, sagte Marion und starrte aus dem Fenster. „Er hat mir hoch und heilig versprochen, keinen Mist mehr zu bauen. Er hat versprochen, brav Geld zu verdienen. Kein Komasaufen unter der Woche, kein Abhängen mit seinen Hip-Hop-Kifferfreunden, keine Pillen, keine Schlägereien, keine illegale Autorennen …“
    „Und?“
    „Na, Scheiße eben“, sagte sie, die sonst niemals Scheiße sagte.
    Nelly kam pfeifend in einem Morgenmantel aus dem Bad, band ihre Haare zurück und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Sie hatte ihre Beine länger nicht mehr rasiert, und ich fand’s sexy. Auch ihr leichter Flaum über den Lippen störte mich kein bisschen. Nelly hatte etwas Exotisches, Dämonisches, Verdorbenes, wäre ich nicht völlig in Marion verschossen gewesen, ich hätte beim Wichsen tagelang nur noch an Nelly gedacht.
    Ich leerte mein Glas. Ich leerte Marions Glas. Ich suchte Nellys Glas, aber sie hielt es bereits in der Hand. Amy Winehouse sang „Love is a losing game“.
    „Was ist los?“, fragte Nelly und sah zu uns rüber. „War ich zu früh? Soll ich noch mal raus?“
    „Bleib“, sagte Marion.
    Ich schenkte uns nach. Eigentlich hatten die Ärzte im Krankenhaus mir ja strengstes Alkoholverbot erteilt, aber da war dieser Song, da war Marion, da war die Sehnsucht, und Sehnsucht war Schmerz, und Schmerz war leichter zu ertragen, wenn man nicht

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