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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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mich alleine in der Küche zurück.
    ***
    Zwei Tage später fuhren Shane und ich mit der U1 vom Sendlinger Tor Richtung Mangfallplatz. Es war irgendwann um die Mittagszeit und wir hatten keinen Bock mehr auf den Trubel in der Stadt. Die U-Bahn war voller gelber Fans, die vom Bahnhof kamen und auf dem Weg zum Grünwalder Stadion in Giesing waren, ich wollte Shane noch überreden, den nächsten Zug zu nehmen, als ich die vielen gelben Dressen sah, aber Shane schiss drauf.
    Die Gelben blökten rum, schrien „WER NICHT HÜPFT, IST MÜNCHNER JUDE! HEY! HEY! WER NICHT HÜPFT, IST MÜNCHNER JUDE!“ und hämmerten ihre Fäuste im Takt gegen die Scheiben. Der Zug war überfüllt, da hätte keine Maus mehr Platz gehabt, ich fluchte leise, dass ich mit Shane eingestiegen war, weil ich ahnte, dass es Ärger geben würde. Und ich musste auch keine Minute warten, da ging es schon los. Einer der Typen mit einem Dosenbier in der Hand glotzte Shane an, dann hob er den rechten Arm zum Hitlergruß und brüllte: „FENERBAHCE ISTANBUL, GALATASARAY – WIR HASSEN DIE TÜRKEI!“ Sofort stimmte der Mob mit ein. Ein ganzer U-Bahn-Zug vom Führerhaus bis zum letzten Wagen, ein U-Bahn-Zug voller Gelber schrie seinen Hass gegen ein Land hinaus, das mit dem heutigen Spiel überhaupt nichts zu tun hatte.
    Einer der Typen, ein glatzköpfiger Riese mit hässlichem Pferdegebiss, setzte sich auf den Schoß einer farbigen Frau, die mit ihrem Kind unterwegs war, das mit gleichgültiger Miene neben ihr saß und Gameboy spielte. Das Pferd sprach auf sie ein, sie sah weg. Er umarmte sie und zwickte ihr in die Titten.
    „Lass sie in Frieden!“, sagte ich, aber ich sagte es mit so leiser Stimme, dass es im Lärm unterging.
    Das Pferd drückte der Frau einen Schmatz auf die Wange.
    „LASS DIE FRAU IN RUHE!“ , brüllte Shane, und er brüllte es so laut, dass der halbe Waggon verstummte.
    „Oh, oh, oh“, sagte der Gelbe und glotzte Shane an. Er glotzte und glotzte, dann sagte er: „Fresse, Kanake!“, und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Fresse!“
    Shane und ich standen drei, vier Meter von dem Typen entfernt. Es war wie in nem Film oder in nem Werbespot, aber in der verfluchten Wirklichkeit fehlt meist die Pointe und das Happy End. Deshalb machte ich mir beinahe in die Hosen, als Shane eine Bierdusche abbekam.
    Fresse, Kanake.
    „Ich glaub, ich kenn deine Mutter“, sagte das Pferd. „Ich hab da gestern im Puff in Gera so ne fette Türkenmama in’ Arsch gefickt, und die Nutte hat genauso gestunken wie du.“
    Scheiße, scheiße. Shane und seine Mama, das war ne heikle Geschichte. Shane hasste seine Alte, aber beleidigen durfte nur er sie. Er oder ich. Aber niemals ein dahergelaufener Penner. Ich hatte keinen Bock, schon wieder zusammengestiefelt zu werden. Hatte keinen Bock auf den nächsten Krankenhausaufenthalt. Und diesen Jungs sah man an, dass sie Meister im Knochenbrechen und Zähneausschlagen waren. Scheiße, nein, Held war ich keiner.
    „Cool bleiben“, sagte ich leise zu Shane. „Wir steigen gleich aus.“
    „Keiner steigt aus“, sagte Shane wie in Trance und packte mich am Kragen. Er war gar nicht mehr richtig da. Gar nicht mehr bei sich. Sein Mund stand offen, seine Augen waren weit aufgerissen. Seine Pupillen waren riesig, der Typ war high.
    Einige von den Gelben stimmten ein, als der Riese anfing, zu der Melodie von „Oh Tannenbaum“ zu grölen: „ Oh hängt sie auf, oh hängt sie auf, oh hängt doch auf die Türkensau! Sie wackelt hin und wackelt her, doch leben tut sie nimmer mehr! “
    Shane preschte nach vorn, schnappte sich den ersten von den Gelben, den er kriegen konnte, und knallte dem seine Faust aufs Ohr, und da konnte sich die arme Sau noch so an der Stange festhalten, die ging zu Boden und stand nicht mehr auf, die Sau.
    Shanes Attacke war wie ein Schlag in ein Wespennest. Alles geriet in Aufruhr.
    Shane gegen alle.
    Alle gegen Shane.
    Ich senkte meinen Blick, ich wollte sie nicht sehen, die Übermacht. Ich wünschte mich so schnell wie möglich zur nächsten U-Bahn-Station. Ich wollte hier raus, aber als die U-Bahn in die Station einfuhr, war die Keilerei bereits voll im Gange. Die schwarze Frau und ihr Sohn stürzten hinaus und noch ein paar Unbeteiligte hauten ab, und auch ich wollte raus, aber ich schaffte es nicht, Shane von den Gelben wegzuzerren.
    Wir waren tief in Feindesland, aber sind wir das nicht ständig? Jeden Tag, mit jedem Schritt und jedem Atemzug? Ist nicht Meyer mein größter

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