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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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das du gar nicht verdient hast. Marion ist der Lucky Punch, und wenn du Glück hast, dann bleibt der verfluchte Gegner am Boden und du hast gewonnen. Wenn du Pech hast, steht er auf und macht dich endgültig alle. Aber alles ist besser, als in dieser Unterwelt zu leben, umgeben von Gespenstern, unter denen du selbst das größte bist.
    An einem Montagmorgen nahm ich ein Exemplar von dem Stapel Branchenbücher, der seit Monaten im Stiegenhaus unter den Postkästen verstaubte, und rief jede Spenglerei, jede Dachdeckerei in München und Umgebung an und fragte, ob sie jemanden brauchen könnten. Zwei Firmen wollten, dass ich vorbeikam, aber so sehr ich mich auch bemühte – ich konnte mein Humpeln nicht verbergen und auch, dass ich so abgemagert aussah und von den Schlägen gezeichnet, war alles andere als eine Empfehlung. Ich war kein guter Lügner und erzählte vom Sturz, und da war bei denen auch gleich schon Sense. Ich versuchte zu erklären, wie es dazu gekommen war, dass mich keine Schuld traf, aber das war zwecklos, die hörten gar nicht mehr zu. Ich hätte genauso als pädophiler Ex-Knacki bei einem Kindergarten vorsprechen können.
    Stundenlang hörte ich traurige Lieder, wütende Lieder, lag im Zimmer rum, schwitzte und fror, gab den Karton nicht vom Fenster, damit das Zimmer dunkel blieb. Ich musste zum Zahnarzt, aber die Füllung war nach drei Tagen wieder draußen, und ich musste mich noch einmal foltern lassen. Alle fünf Minuten sah ich auf das Display meines Handys. Keine Message von Marion. Kein Anruf. Keine SMS .
    Nichts.
    Ich fuhr jeden Tag in die Stadt, um Ausschau nach ihr zu halten. Ich suchte sie in den Straßen, suchte sie in ihrem Stammcafé in Schwabing, in dem sie zweimal die Woche mit ihren Freundinnen nach der Uni Kaffee trank oder alleine in Gala und Vogue blätterte und Chai-Tee mit extra viel Honig trank, suchte sie in Schaufenstern, in Autos, überall. Ich ging auf die Uni und in ihr Lieblingsgeschäft, eine kleine Krimibuchhandlung in der Nähe vom Gärtnerplatz, in der sie für ihren Bruder Bücher kaufte, die sie ihm schickte.
    Aber sie war nicht da.
    Einmal glaubte ich sie von draußen in einem Lokal am Odeonsplatz zu erkennen, ich stürzte hinein, ich sagte „Hey!“ und legte meine Hand auf ihre Schultern, aber es war eine andere. Es war jedes Mal eine andere.
    Einmal stand ich vor dem Heim und sah hoch zu ihrem Zimmer, sah das Licht, aber ich ging nicht hinein. Ich war zu stolz. Ich schrieb ein paar SMS , aber ich schickte sie nicht ab. Ich war einfach zu stolz, verdammt. Es musste so aussehen, als wäre es bloßer Zufall. Ich laufe doch keiner Schlampe nach.
    Eines Nachts spürte ich, dass irgendwer in meiner Wohnung war. Ich schlief und mir war bewusst, dass ich schlief, und genauso war mir klar, dass ein Mensch in meiner Wohnung war, und dass dieser Mensch gekommen war, um mich zu töten. Ich bekam Panik, ich musste aufwachen, aber ich konnte nicht aufwachen, ich konnte meine Augen nicht öffnen, ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Ich lag da, gefangen in meinem Körper, war unfähig mich zu rühren, mich zu wehren, und die Gestalt in meinem Zimmer kam näher. Ich sah sie nicht, ich hörte sie nicht, aber ich spürte ihre Anwesenheit. Ich wusste, meine Todesstunde war gekommen, wenn ich jetzt nicht sofort aufwachte. Ich versuchte, mich zu kneifen, mir ins Gesicht zu schlagen, ich versuchte verzweifelt, meine Beine zu bewegen. Ich hatte Todesangst, Florian, da war ein Abgrund vor mir, nie zuvor habe ich so eine himmelschreiende Angst verspürt, ich konnte meinen Mund nicht bewegen, aber mein ganzer Körper schrie, verdammt, wie kann man nur solche Angst haben? Und schließlich gelang es mir aufzuwachen, und dann stand ich da auf meiner Matratze mit dem Eisen in der Hand. Ich stand da mit ausgestrecktem Arm, ich klapperte mit den Zähnen, so zitterte ich, ich machte Licht, holte meinen Baseballschläger aus dem Wandschrank und ging ins Bad – da war niemand. Aber als ich mich wieder hinlegen wollte, ohne das Licht zu löschen, weil ich mich nicht mehr in die Dunkelheit wagte … da sah ich, dass die verdammte Wohnungstür einen Spalt offen stand.

4
    Ich musste als Kurier zwei Wochen aussetzen, mit meinen blauen, gelben und grünen Flecken und den Schürfwunden sah ich wie ein Straßenschläger aus und Shane hielt das Risiko für zu groß, dass man mich in einem der Züge kontrollieren könnte. Als ich dann wieder im Dienst war, verlief alles nach Plan: Ich traf den Dealer

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