Man Down
ihm drei Finger.
„Wurden Sie überfallen?“
„ …“
„Hatten Sie einen Unfall?“
„Drei“, sagte ich leise.
„Drei?“
„Drei … Typen.“
„Sie waren zu dritt?“
„Das ist doch feig, so was.“
„Kannten Sie einen von ihnen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Können Sie sie beschreiben?“
Ich schüttelte abermals den Kopf.
„Können Sie nicht in etwa sagen, wie sie ausgesehen haben?“
„Nein. Sie waren vermummt.“
„Es waren drei?“
„Ja, drei.“
„Männer?“
„Natürlich Männer.“
„Sie sprachen Deutsch?“
„Ja, Deutsch.“
„Gebrochenes Deutsch?“
„Gebrochenes Deutsch“, sagte ich und hätte mir sofort in den Arsch beißen können. Ich wollte mir nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn die Bullen die Schläger ausfindig machten.
„Waren es Türken?“
„Keine Türken“, sagte ich.
„Keine Türken?“
„Russen“, sagte ich.
„Woher wollen Sie das wissen? Haben sie Ihnen die Pässe gezeigt?“
„Sie stanken nach Wodka. Das waren Russen.“
„Was wollten sie?“
„Mich verprügeln.“
„Haben Sie Ihnen etwas abgenommen? Geldtasche, Uhr, Handy, irgendwas?“
„Alles! Sie haben mir alles geklaut.“
„Und es waren Russen?“
„Hundertpro.“
Die Polizisten nahmen meine Daten auf, dann verschwanden sie. Sie hatten mir kein Wort geglaubt. Sie dachten an eine Eifersuchtsgeschichte, an nen Streit mit Kumpels oder so was Ähnliches. Und Scheiße, sie lagen damit ja auch nicht ganz daneben. Ich wollte gar nicht, dass sie die Typen erwischten.
Die Sanitäter führten mich zum Krankenwagen.
„Ich bin okay“, sagte ich, als sie die Tür öffneten.
„So siehst du aus.“
„Ich bin okay“, sagte ich und wollte davon.
Sie hielten mich fest, steckten mich in die Karre und rasten mit Blaulicht ins Krankenhaus.
Erst am Abend konnte ich Shane erreichen. Er kam mit Burcak sofort vorbei und wurde sogar in mein Zimmer gelassen, obwohl die anderen Patienten bereits schliefen. Die beiden kamen Hand in Hand, und sie taten so, als wäre das das Natürlichste der Welt und immer schon so gewesen. Sie kamen von einer Beschneidungsfeier in Rosenheim und waren schick gekleidet. Ich versuchte zu lächeln, aber ich hatte keine Kontrolle über meine Gesichtsmuskulatur.
„Fuck!“, sagte Shane, als er mich sah.
Burcak nahm meine Hand und drückte sie.
„Wer war das?“
„Keine Ahnung.“
„Was wollten sie von dir?“
„Woher weißt du, dass es mehrere waren?“
„Du wirst dich doch nicht von einem einzigen Penner so zurichten lassen.“
Ich fragte mich, ob Shane mir was vorspielte. Ob er von den Schlägern wusste. Ob er sie vielleicht sogar auf mich gehetzt hatte. Ob er ...
Nein, Shane. Nein.
Auf dem Nachttisch neben dem Bett lag der schwarze Handschuh, der Handschuh eines der Schläger. Shane warf einen Blick darauf. Er sah mich an und für einen Augenblick klinkten wir uns aus der Welt aus und starrten uns nieder, es gab nur uns, uns beide, es war eine kleine Ewigkeit, keiner wollte dem Blick des anderen nachgeben, ich suchte die Antwort auf meine Frage, aber ich fand sie nicht.
Ich wusste nicht, ob ich ihm noch trauen konnte.
Fuck, Shane.
Und dann wollte ich mein Maul aufreißen und ihm alles erzählen. Was sollte mir schon passieren, wenn Burcak an meiner Seite war? Burcak war meine Lebensversicherung. Öcal und Ugi konnten mich nicht einfach so vor ein Auto schmeißen. Burcak würde zur Polizei gehen, Burcak hatte keine Angst vor irgendwem. Ich konnte ihm also erzählen, was heute Morgen passiert war, und ihn fragen: Waren das deine Brüder, Shane? Natürlich waren das deine Brüder! Und? Hast du davon gewusst, Shane? Natürlich hast du davon gewusst! Und es war dir egal, Shane? Es war dir scheißegal, dass man mich zu Brei schlägt? Okay! Ich habe Mist gebaut, ich hätte tun sollen, was Abdelkader verlangt hat, aber ich bin Anfänger, ich bin kein Profi. Und dann hätte ich ihn fragen sollen: Wer war der dritte Mann, Shane? Wer war der dritte Vermummte? Du warst doch nicht etwa dabei, Shane?!
Aber ich erzählte nichts und ich fragte nichts. Ich blieb stumm. Vielleicht, weil ich die Wahrheit nicht wissen wollte. Vielleicht hatte ich Angst, Shane zu verlieren.
Lieber nen Hurensohn als Freund als gar keinen Freund.
„Hast du Schmerzen?“, fragte Burcak.
„Keine Schmerzen.“
„Das gibt’s doch nicht, so wie du aussiehst. Als hätte jemand auf deinem Gesicht getanzt.“
„Die haben mir was gegeben.“
„Hast du dich
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